Duisburg.
Fliegende Pyros, Schläge gegen Polizisten oder einfach eine Klopperei auf dem Kreisliga-Sportplatz: Immer wenn Fußball-Fans die Nerven verlieren, bedeutet das Arbeit für Martin Mende und Simon Faißt aus Duisburg.
Fußball-Staatsanwälte in Duisburg ermitteln gegen Chaoten
Die beiden sind Fußball-Staatsanwälte in Duisburg. Sie sind im Stadion, beobachten und ermitteln immer dann, wenn Fußball-Fans sich daneben benehmen.
Das Team
Das Sonderdezernat Sport besteht aus einem vierköpfigen Team, darunter einem Oberstaatsanwalt. Alle sind sie selbst Fußball-Fans. Mende ist Köln-Fan, hat eine Dauerkarte. Früher war er Schiedsrichter, pfiff zweite Liga im Hallenhandball. Faißt drückt Pokalsieger Eintracht Frankfurt die Daumen.
Das Team kümmert sich um alle Sportstraftaten. „Gefühlt sind das aber 98 Prozent Fußball-Sachen,“ erklärt Faißt. Fälle aus Eishockey und Handball kommen nur ein bis zwei Mal im Jahr vor.
Die Fußball-Straftaten machen allerdings nur einen kleinen Teil des Alltags der Staatsanwälte aus. Faißt kümmert sich schwerpunktmäßig um Drogendelikte, Mende vor allem um politische Straftaten.
Die Arbeit
Der MSV Duisburg, Rot-Weiß Oberhausen und in diesem Jahr auch der KFC Uerdingen (spielt in Duisburg) fallen in das Tätigkeitsgebiet von Mende, Faißt und Co.
Pyro-Vergehen oder Gewalt im und auf dem Weg zum Stadion sind das eine, Schlägereien oder Schiedsrichter-Beleidigungen in der Kreisklasse das andere Hauptaufgabengebiet.
Die große Mehrheit der Problemfans ist zwischen 18 und 45 Jahren – und überwiegend männlich.
Bei den Heimspielen von MSV, RWO und dem KFC sind die Staatsanwälte in engem Kontakt mit der Polizei, entweder telefonisch oder bei vielen Spielen auch vor Ort. Dann begleiten sie die Polizei, beobachten die Lage, sitzen auf der Tribüne – ein Blick aufs Spiel, einer aufs Geschehen auf den Rängen.
Vor Ort beraten sie die Polizei etwa bei der Einschätzung von strafbaren Bannern oder geben ihr Go für Blutproben bei Randalieren.
Die Zahlen der Sport-Straftaten in Duisburg waren zuletzt relativ konstant. Die Halbjahreszahlen der vergangenen Jahre:
- 30. Juli 2016: 160 Sport-Straftaten
- 30. Juli 2017: 170 Sport-Straftaten
- 30. Juli 2018: 85 Sport-Straftaten
Den Rückgang in diesem Halbjahr erklärt Mende durch einen Wechsel in der Sachbearbeitung in Oberhausen: „Dort sind noch Akten liegen geblieben. Wir gehen von gleichbleibenden Zahlen am Ende des Jahres aus.“ Auch bedingt dadurch, dass der KFC Uerdingen seine Heimspiele in der Duisburger Arena austragen wird und es daher zu einer Mehrzahl an Spielen kommt.
Der Spieltag
Ein Mann schießt aus einem Fanblock mit einer Schleuder Pyro auf die Stadiontribüne. Das Pyro verfängt sich in langen Haaren einer Polizistin, die abbrennen. Es sind Fälle wie diese, in denen Mende und Faißt gefragt sind. Dann heißt es in Abstimmung mit der Polizei Zeugen vernehmen, Videomaterial sichten. Noch während des Spiels laufen die Ermittlungen.
Im vorliegenden Fall kann der Täter identifiziert werden. Staatsanwalt Faißt ordnet eine vorläufige Festnahme und eine Wohnungsdurchsuchung an.
Am Ende wird der Fußball-Chaot zu zwei Jahren auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Anklagen auf versuchten Mord oder Totschlag bei solchen Vergehen seien noch nicht vorgekommen, aber nicht ausgeschlossen, so Kollege Martin Mende: „Wer so rücksichtslos mit so gefährlichen Gegenständen wie Pyro auf Menschen schießt, da kann man schon einen Gedanken dran verschwenden, ob dem egal ist, was passiert!“
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Tumulte und Pyro
Kein Thema wird in der Fanszene so heiß diskutiert wie Pyrotechnik.
Die beiden Duisburger Staatsanwälte haben zum Thema Pyro eine klare Meinung. „Es heißt ja immer in Fan-Kreisen: Pyrotechnik ist kein Verbrechen! Nein, aber es ist ein Vergehen.“
Eine von den Fans geforderte Legalisierung hält Mende für nicht machbar: „Ich gucke mir bestimmte Sachen mitunter gerne an, aber sie gehen einfach nicht. Pyro in der Masse lässt sich mit dem Gewaltmonopol des Staates einfach nicht vereinbaren. Da setzen sich Leute über die körperliche Unversehrtheit Dritter hinweg.“
Arbeit bereitet den Staatsanwälten neben Pyro-Vergehen vor allem sogenannte Tumult-Lagen. Sind die Fan-Mobs an Bahnhöfen und Stadion-Eingängen eingeengt, schaukeln sich mitunter die Emotion schnell hoch – die Folge: Auseinandersetzungen mit Polizisten, Sicherheitspersonal oder gegnerischen Fans. „Die Tumulte-Lagen machen uns viel Arbeit. Dort kommt es teils zu erheblichen Straftaten.“
Dann kennen die Staatsanwälte wenig Gnade: „Wenn es in Tumulten zu Straftaten kommt, kennen wir relativ wenig Wanken. Da sagen wir, wir müssen einfach Zeichen setzen.“
Insgesamt führen die Fußball-Staatsanwälte eine Null-Toleranz-Politik. Deshalb werden sogar Beleidigungen geahndet. Auch Vergehen von Polizisten gegen Fans werden von den Fußball-Staatsanwälten in Duisburg behandelt.
Intensivtäter
„Wir fahren einen stark Personen bezogenen Ansatz,“ erklärt Martin Mende. Vor allem bei Intensivtätern aus der Kategorie Gewalt und Sport werden „Personen scharf sachbearbeitet“. Das heißt: Tritt ein Fußball-Chaot außerhalb des Fußballs negativ in Erscheinung – etwa wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetzes oder Schwarzfahrens – dann wird das auch von den Fußball-Staatsanwälten in Duisburg bearbeitet.
Die Idee dahinter: „Wir stehen den Leuten auf den Füßen“, so Mende. Ein ähnliches Konzept fährt die Staatsanwaltschaft auch beim Thema Clan-Kriminalität.
Dieser Artikel erschien zuerst am 8. August 2018 auf DER WESTEN