Essen.
Die Machenschaften krimineller Araber-Clans wird immer mehr zu einem Problem in NRW. Vor allem in den Städten des Ruhrgebiets sind kriminelle Mitglieder der Clans aktiv.
Mit Drogengeschäften und Steuerhinterziehung machen die Clans ihr Geld. Für die Polizei ist es oft nicht einfach, die Strukturen der mafiaartigen Gruppen zu durchdringen.
Clankriminalität: „Verfolgungsdruck erhöhen“
Ein halbes Jahr nach Projektstart in Duisburg kümmern sich jetzt auch in Essen zwei Sonder-Staatsanwälte um sogenannte Clankriminalität.
Die „Staatsanwälte vor Ort“ seien ab sofort im Einsatz, teilte das nordrhein-westfälische Justizministerium am Montag in Düsseldorf mit. „Sie sollen kriminelle Familienclans gezielt bekämpfen und den Verfolgungsdruck erhöhen“, hieß es.
Seit einigen Jahren sind kriminelle arabische Clans immer mehr in den Fokus der Sicherheitsbehörden gelangt.
Kriminelle Clans in Essen: Staatsanwälte „vor Ort“
Dabei würden sie unter anderem mit der Polizei, der Zollfahndung und der Stadtverwaltung zusammenarbeiten. Die beiden Staatsanwälte sollen ihre neue Aufgabe regelmäßig auch „vor Ort“ wahrnehmen, hieß es weiter. Einzelheiten will NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Mittwoch in Essen vorstellen.
Bei dem Mitte Juni 2018 in Duisburg gestarteten Projekt kümmern sich im Duisburger Norden zwei Staatsanwälte ausschließlich um Straftaten, bei denen Mitglieder von rund 70 türkisch-, kurdisch- und arabischstämmigen Großfamilien als Täter vermutet werden.
Kriminelle Clans in NRW
Die Zahl der Clans, aus denen heraus einzelne Mitglieder oder Gruppen vermehrt Straftaten begehen, ist nicht immer ganz klar. In Nordrhein-Westfalen bekämpft die Polizei kriminelle Mitglieder aus Dutzenden Familien. „Aktuell ist von der Existenz von etwa 50 Clanfamilien in NRW auszugehen, aus denen heraus vermehrt Straftaten begangen werden“, sagte Frank Scheulen vom Landeskriminalamt (LKA) zuletzt gegenüber DER WESTEN. Diese Anzahl beziehe sich auf Personen mit einem türkisch-arabischen Migrationshintergrund.
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Unter Clankriminalität versteht das LKA strafbare Handlungen, bei denen die Täter ihre familiäre oder ethnische Herkunft bewusst und aktiv einbeziehen: Etwa, indem die Aufklärung von Taten durch Stillhaltemechanismen innerhalb von Familienverbänden behindert wird.
Clankriminalität: Fehlende Akzeptanz der Rechtsordnung
Zudem gehe Clankriminalität per Definition mit einer fehlenden Akzeptanz der deutschen Rechts- oder Werteordnung einher. Das gelte nicht ausschließlich für arabische Clans, die Polizei kennt das auch zum Beispiel von der italienischen Mafia.
Im Ruhrgebiet verteilen sich 16 Großfamilien auf drei Clans. Viele der Mitglieder führen ein normales Leben, sind Unternehmer, Handwerker, Ärzte, Politiker. Manche aber sind Schwerkriminelle, die familiäre Strukturen für illegale Geschäfte nutzen. Besonders bekannt sind die Namen von vier großen Familien.
Womit machen die Clans ihr Geld?
Die Mitglieder der Clans sind gut darin, ihre kriminellen Machenschaften zu verdecken. Womit die Gangster ihr Geld machen, ist nicht einfach nachzuvollziehen. Ermittelt wird immer wieder wegen Drogenhandels gegen die Großfamilien, manchmal geht es auch um Immobiliengeschäfte.
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„Die phänomenologischen Schwerpunktsetzungen im Kontext der Clanfamilien orientieren sich weniger an einzelnen etablierten Kriminalitätsfelder als an kriminellen Märkten, die besonders lukrativ sind und dabei gut durch große, gleichwohl gut abgeschottete Personenstrukturen besetzt werden können“, heißt es beim LKA. Sprich: Die Clans streuen ihre Aktivitäten breit, suchen sich gezielt Märkte, in denen möglichst viel Geld zu machen ist.
Dazu zählt laut LKA vor allem Drogenkriminalität: Sowohl der Straßenhandel, etwa in Dortmund, aber Drogenhandel im ganz großen Stil. Typisch seien auch „Delikte rund um Steuervergehen in Zusammenhang mit dem Betrieb von Shisha-Bars oder illegales Glücksspiel. Aktuell stellen wir auch Straftaten zum Nachteil älterer Menschen fest, in die Clanangehörige involviert sind“, so LKA-Sprecher Frank Scheulen.
Woher kommen die Clans?
Viele stammen ursprünglich aus dem Libanon, aus Syrien, dem Irak oder der Türkei.
Vor allem im Ruhrgebiet wird häufig von Libanesen-Clans gesprochen. Gemeint sind dann kriminelle Mitglieder von Familien, die ursprünglich aus der Türkei und aus Syrien stammen. Sie gehören zu den sogenannten Mhallami, einer arabischstämmigen Volksgruppe.
Viele von ihnen wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben und siedelten sich im Libanon an – oft fehlten ihnen die Mittel für Pässe und eine Einbürgerung. Als dort Bürgerkrieg ausbrach (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland.
Sie kamen über Ost-Berlin in den Westen, beantragten Asyl und wurden auf verschiedene Bundesländern verteilt – vor allem nach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Hier gab es einen Abschiebestopp, sie erhielten als Staatenlose direkt eine Duldung und blieben im Land. Bei nicht wenigen blieb der Duldungsstatus bestehen, über Generationen.
Menschen mit Duldungstatus haben es auf dem Arbeitsmarkt schwer: Eine selbständige Tätigkeit ist ihnen untersagt, eine Beschäftigung als Arbeitnehmer ist nur auf Antrag und nach Zustimmung durch die Ausländerbehörde möglich. Manche Experten sehen hierin eine mögliche Ursache dafür, dass sich aus der Perspektivlosigkeit heraus kriminelle Netzwerke innerhalb der Familien gebildet haben. (pen/dpa)