Versuchter Ehrenmord in Essen: Angeklagter von Personenschützer begleitet – das ist der Grund
Prozessauftakt am Landgericht Essen: Mitglieder eines Familienclans scheiterten mit einem versuchtem Ehrenmord
Das Killerkommando skalpierte Mohammad A.
Wir berichten live vom ersten Prozesstag
Essen.
DER WESTEN hatte zwischenzeitig berichtet, dass vier Angeklagte bekleidet mit Sturmmasken zum Prozessauftakt erschienen. Dies war ein Fehler. Einer der Angeklagten wurde lediglich von vermummten Personenschützern begleitet, da er besonders geschützt werden sollte. Er hatte zuvor umfänglich ausgesagt.
Mohammad A. wurde gefoltert, geschlagen, skalpiert. Acht Syrer – alle gehören einem Familienclan an – überfielen den 19-Jährigen, um ihn so brutal wie möglich zu töten. Ihre abscheuliche Tat filmten sie auch noch.
Das wirft ihnen die Essener Staatsanwaltschaft vor, die Rede ist von versuchtem Ehrenmord.
Am Dienstag startet der Prozess gegen die Angeklagte am Essener Landgericht. Die Sicherheitsvorkehrungen sind schon am Morgen extrem hoch – eine eher ungewöhnliche Maßnahme 90 Minuten vor Prozessauftakt.
Personenschützer begleiten Angeklagten in den Gerichtssaal
Mehyaddin O. betrat mit vier Kräften Personenschützern den Saal. Sie sollten für den Schutz des Angeklagten sorgen, der zuvor besonders umfänglich ausgesagt hatte. Ein martialischer Anblick für alle Anwesenden.
Im krassen Gegensatz dazu zeigen sich die beiden vermutlichen Rädelsführerinnen Muzgin M. (39) und Gulistan A. (47). Vor allem Gulistan A. weint, als ihr Sohn Mostafa M. den Raum betritt, bricht sie beinahe zusammen. Ihr Sohn ist der Hauptangeklagte im Prozess.
Allein die Aufnahme der Personalien dauert lange. Immer wieder kommt es zu Verzögerungen, weil Geburtsdaten nicht stimmen und manche nicht genau wissen, wo sie geboren wurden. Für weitere Verwirrung sorgt der Nachname von Gulistan A. A. ist der den Behörden bekannte Name – aber es ist der Name ihres Ex-Mannes. Inoffiziell heißt sie also M., offiziell jedoch A.
Killer-Kommando aus Clanangehörigen skalpierte Mohammad
Ein regelrechtes Killer-Kommando schickte der Clan zu Mohammad A., die Täter trommelte die Familie aus ganz Deutschland zusammen: Aus Freyburg, Naumburg, Viersen und Essen kommen die Verdächtigen unter anderem. Fünf weitere Personen sollen ebenfalls beteiligt gewesen sein: Im Hintergrund sollen sie die Tat mitgeplant haben.
Zum großen Teil flohen sie vor dem syrischen Bürgerkrieg. Nach Auskunft des Gericht stehen sie nicht in Verbindung mit sogenannten Libanesen-Clans.
Mohammad A. überlebte den Überfall nur knapp. Er sollte sterben – weil er die falsche Frau liebte.
Doch Sina M. führte bereits eine Ehe: Als 16-Jährige war sie mit dem heute 29-jährigen Dlovan B.zwangsverheiratet worden; 2500 Dollar hatte der Mann als eine Art Mitgift bezahlt. Dlovan B. sitzt ab Dienstag auch auf der Anklagebank.
Versuchter Ehrenmord: Foto wird zum Verhängnis
Ein Foto von Sina M. und Mohammad A., das bei Facebook auftauchte, wurde dem Liebespaar zum Verhängnis. Als ihre Verwandten Wind von der Beziehung bekamen, sahen sie die Familienehre in Gefahr und planten ein Mordkomplott, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
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Am 31. Mai 2018 lauerte ein Killer-Kommando Mohammad A. an dessen Wohnung an der Steeler Straße auf.
Zum Sterben im Hinterhof abgelegt
Mit Knüppeln schlugen die acht Männer auf ihn ein, malträtierten ihn mit Messern, stachen ihm in die Lunge, den Unterbauch, entfernten seine Kopfhaut. Dann ließen sie ihn zum Sterben in einem Hinterhof liegen. Doch Mohammad A. überlebte.
Heute geht es Mohammad A. „erstaunlicherweise“ gut, sagt Rechtsanwalt Aykan Akyildiz, der A. beim Prozess vertritt: Der 19-Jährige ist Nebenkläger.
„Die seelischen Wunden und die Angst vor Racheaktionen ist natürlich noch präsent“, so Akyildiz.
Kontakt zu Sina M. hat Mohammad nicht mehr. „Sie wurde offensichtlich einer Art “Gehirnwäsche“ seitens der Familie unterzogen und hat sich von ihm komplett losgesagt“, so sein Anwalt.
Mutter und Tante sollen treibende Kräfte des Komplotts sein
Zwei Frauen gelten als treibende Kräfte im Hintergrund: Sinas Mutter und ihre Tante – Muzgin M. (39) und Gulistan A. (47). Gulistan A. soll den Tod von Mohammad A. „verlangt“ haben, so ein Sprecher des Landgerichts Essen gegenüber DER WESTEN.
Einige der Täter haben einen Flüchtlingsstatus, leben noch nicht lange in Deutschland. Andere wohnen schon lange hier: Gulistan A. etwa lebt seit 2002 in Deutschland.