Fein angerichtet und meist schon verzehrfertig liegen Schinken, Salami und Leberwurst in der Theke. Bei der großen Auswahl haben die Kunden der Fleischerei Bickert in Essen Schönebeck die Qual der Wahl. Zur Grillsaison stehen Steaks und Würstchen natürlich ebenfalls hoch im Kurs.
Bei den Bickerts werden Fleischliebhaber fündig. In ganz Essen gibt es nur vier weitere Betriebe, die laut „Der Feinschmecker“ ebenfalls zu den besten Metzgereien Deutschlands zählen. Handwerkliche Qualität und Geschmack, und auch Freundlichkeit sowie Kompetenz des Personals gehören zu den obersten Kriterien für die Auszeichnung des Gourmetmagazins. Das wollte ich selber prüfen, und habe dafür im Februar 2023 einen Blick hinter die Kulissen gewagt.
Essen: Ein Tag Metzger sein
Als ich in den Betrieb komme, sind Jürgen und Andreas schon schwer beschäftigt. Die beiden Metzger gewähren mir an diesem Tag einen exklusiven Einblick in ihre Tätigkeit – und ich darf sogar selbst Hand anlegen. Es ist Mittwoch. Also steht auf dem Programm: Würste einzwirbeln. Zuerst zerkleinert Jürgen die Fleischstücke und trennt sie von den zähen Sehnen.
Ein Tag im Leben von … ist der Titel unserer Reportage-Reihe bei DER WESTEN. Wir durften über einen bestimmten Zeitraum für einen Tag verschiedene Persönlichkeiten in ihrem (beruflichen) Alltag begleiten. Dabei haben wir erstaunliche Einblicke in den Job, die damit verbundenen Aufgaben, Schwierigkeiten und Chancen bekommen. Hier findest du alle Beiträge.
Dabei gibt der Fleischsomellier einen wertvollen Tipp: „Damit das Fleisch am Ende wirklich richtig zart ist, immer quer zur Faser schneiden. Das ist wichtig.“ Im Anschluss übernehmen zunächst die Maschinen die Arbeit. Der Cutter zerkleinert das Fleisch, ehe es nochmal durch den Fleischwolf gedreht wird. Danach wird der Darm auf eine Spindel gezogen und das Fleisch per Knopfdruck hineingepresst.
Haben die Würste die richtige Länge erreicht, drückt der Fleischer die Enden ab und dreht sie in den Darm ein. Meine Augen kommen bei den erfahrenen Metzgern kaum hinterher, während ich mich noch vorsichtig ans Einzwirbeln herantaste. Bei den Experten sitzt jeder Handgriff und ich will mich natürlich direkt beweisen. Der Darm ist wie eine zerbrechliche Hautschicht und ich fürchte sie zum Reißen zu bringen, wenn ich zu schnell werde. Doch Übung macht ja bekanntlich den Meister.
Tradition trifft auf moderne Technik
Der Betrieb Bickert legt noch viel Wert auf die Verarbeitung mit der Hand, Maschinen dienen nur dazu, um die Prozesse etwas zu beschleunigen. In vielen Produktionen läuft die Arbeit fast komplett maschinell ab, doch der Meistermetzger will das Gefühl für die Produktion seiner Spezialitäten nicht verlieren. Auch die Qualität und die Herkunft überlässt Jürgen Bickert nicht dem Zufall, deshalb kauft der 52-Jährige eigenen Angaben zufolge nur regionale Produkte von ausgewählten Höfen seines Vertrauens innerhalb eines Radius von 50 Kilometern. Manchmal greift der ausgebildete Jäger auch selbst zur Waffe, wie bei seinem berühmten Nutria-Fleisch (hier mehr dazu).
Hygiene steht hier natürlich an oberster Stelle. Deshalb werden nach jedem Arbeitsschritt die Hände gewaschen. Danach kommen die Würste zum Trocknen bis zum nächsten Tag ins Kühlhaus und erst danach in den Verkauf.
DAS bringt mich an meine Grenzen
Bei der Verarbeitung mitwirken zu können, fühlt sich gut an. Ich habe somit am Ende mehr das Gefühl zu wissen, was auf meinem Teller landet. Berührungsängste verspüre ich zunächst keine, doch an einem Punkt komme ich dann doch an meine Grenzen. Als ein gekochter Schweinekopf zum Zerlegen im Kühlhaus ankommt, zieht sich mein Magen zusammen. Der Anblick von rohem Fleisch stört mich nicht, doch das tote Schweine-Gesicht mit Ohren und Nase vor mir zu sehen, schreckt mich ab. Plötzlich wird mir der Tod des Tieres bewusst und ich habe das Gefühl, das Schwein erneut zu töten, wenn ich zum Messer greife.
Ich trete einen Schritt zurück und lasse die Experten ran. Der Kopf wird ausgelöst also mit dem Messer zerkleinert. Anschließend kommt das Fleisch anderthalb Stunden in den Kochtopf, etwas Salz dazu und aus dem gegarten Fleisch kann Leberwurst gemacht werden. Eines meiner Lieblingsaufschnitte, doch über die Herstellung habe ich mir vorher nie Gedanken gemacht. Lange Zeit zum Grübeln habe ich für Erste keine, denn die nächste Aufgabe wartet schon auf mich.
Maßvoller Umgang statt maximaler Profit
Auch Rouladen stehen an diesem Tag auf der Bestellliste. Blätter auslegen, Fleischmasse formen und in die Wirsingblätter legen, einrollen und mit einem Stück Schnur verbinden – fertig! So schnell wie dieser Satz ausgesprochen ist, so schnell ist der Handgriff auch bei Regina Bickert erledigt. Wie es sich für einen Familienbetrieb gehört, packt natürlich auch die Ehefrau mit an. Am Ende verpasst die Fleischerin den Rouladen immer noch eine kleine Schleife – das Auge isst schließlich mit.
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Im Kontakt mit dem Kunden ist Freundlichkeit das Wichtigste. Denn Martina nimmt sich auch immer noch ein paar Minuten Zeit für ein Pläuschchen. Schließlich duzt und kennt man sich hier, Stammkunden kommen regelmäßig vorbei. Familie Bickert selber greift nicht jeden Tag zu Fleisch. „Wenn jemand 20 Steaks auf den Grill packt für eine Hand voll Menschen, das finde ich schrecklich. Mengen sind nicht gut, es sollte ausgewogen sein“, erklärt das weibliche Oberhaupt. Faszinierend und zeitgleich überraschend, wie sehr die Familie ihren eigenen Fleischkonsum hinterfragt. Maßvoller Umgang statt maximaler Profit, lautet das Motto der Bickerts.
Ich teile diese Meinung mit den Fleischern und habe selbst meinen Fleischkonsum vor einiger Zeit reduziert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, für eine erwachsene Person weniger als 600 g Fleisch pro Woche zu konsumieren. Komplett drauf verzichten möchte ich nicht, stattdessen will ich vermehrt auf Haltung und Herkunft der Tiere achten.