Es ist eine völlige Routine-Situation gewesen, die am Montagnachmittag (26. Juni) in Essen komplett aus dem Ruder lief. Eine Streife der Polizei Essen wollte einen Mann (39) wegen eines Verkehrsdelikts anhalten. Doch der Fahrer dachte nicht daran, sich den Beamten zu stellen. Er trat aufs Gaspedal und überfuhr einen Polizisten. Der Beamte schwebt jetzt in Lebensgefahr (mehr hier).
Jörg Brackmann, Kreisgruppen-Chef der Essener Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigt sich nach dem feigen Angriff gegen den Kollegen entsetzt. Bei dem Opfer handle es sich um einen Familienvater, „einen Menschen wie du und ich“, wie er im Gespräch mit DER WESTEN sagt. Der Fall stehe sinnbildlich für eine düstere Entwicklung.
+++ Essener Polizei mit emotionalen Worten an ihren Kollegen Marcel: „In Gedanken bei dir!“ +++
Essen: Angriff weckt düstere Erinnerungen
„Die Gewalt gegen Polizeibeamte steigt seit Jahren“, betont Jörg Brackmann. Allein die Polizei Essen habe im letzten Jahr 370 Widerstände gegen Beamte registrieren müssen. Das seien 60 Fälle mehr als noch im Vorjahr. Dass es sich um kein isoliertes Phänomen im Ruhrgebiet handelt, zeigt etwa der dramatische Vorfall in Ratingen, bei dem ein Mann zahlreiche Einsatzkräfte in einen Hinterhalt gelockt hatte.
Der Fall hatte deutschlandweit für Entsetzen gesorgt, weil Polizei und Feuerwehr einer hilflosen Person helfen wollten und dann ins offene Messer gelaufen waren. Vielen Beamten wurde durch den schrecklichen Vorfall bewusst, dass sie selbst in alltäglichen Situationen zur Zielscheibe werden können. „Es ist wirklich schlimm, dass so etwas passiert“, fasst Brackmann zusammen. Muss die Polizei ihre Ausbildungsinhalte an solche Extrem-Ereignisse anpassen und gegebenenfalls ihre Vorgehensweise bei Einsätzen ändern? Nein, sagt der Polizei-Gewerkschaftler: „So einen Hinterhalt kann man nicht trainieren.“ Der Kreisgruppen-Chef der Essener Polizei sieht das Problem an anderer Stelle.
Essener Polizei-Gewerkschafter hat wichtige Botschaft
Aus Sicht des Gewerkschafters fehle es grundsätzlich am Respekt gegenüber Einsatzkräften, insbesondere der Polizei. Als weiteres Beispiel nannte er die Ereignisse an Silvester in NRW, als Einsatzkräfte zur Zielscheibe zahlreicher Feiernder wurden (mehr hier). In den Sozialen Medien kursierten danach zahllose Videos, bei denen Pyro-Attacken auf Einsatzkräfte gefeiert wurden. „Je respektloser das Verhalten gegen Beamte war, desto anerkennender die Reaktionen“, zeigte sich Brackmann entsetzt. Für ihn seien das Anzeichen einer zunehmend verrohenden Gesellschaft. Es müsse wieder begriffen werden, dass in den Uniformen Menschen stecken – Väter, Mütter oder Kinder. Der Wert eines jeden Menschenlebens müsste von klein auf in Kitas, Schulen, Sportvereinen und kirchlichen Einrichtungen beigebracht werden.
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Außerdem nahm Brackmann den Justizapparat in die Pflicht. Er fordert, dass Straftäter bei Delikten gegen Einsatzkräfte schneller vor Gericht kommen. „Wenn heute eine Straftat begangen wird und vielleicht in zwei Jahren ein Urteil fällt, können Straftäter das möglicherweise gar nicht miteinander in Bezug bringen.“ Es brauche eine „Strafe auf dem Fuße“, damit auch das gesamte Umfeld mitbekommt, dass so ein Verhalten nicht toleriert wird. Die Polizei habe aus Sicht des Gewerkschafters zwar noch die Kontrolle. „Aber es darf sich nicht so weiter entwickeln. Ich habe da eine gewissen Sorge“, gibt Brackmann zu.