Seit Jahren sind die „Steeler Jungs“ in Essen unterwegs. Anfangs patrouillierte die selbsternannte Bürgerwehr meist donnerstags durch die Steeler Innenstadt. In den letzten Jahren tauchten Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung immer wieder bei politischen Veranstaltungen auf, nahmen an Corona-Demos teil oder fielen durch rassistische Entgleisungen in Essen auf (mehr hier).
Wegen ihrer Verstrickungen in die rechtsextreme Szene hat der Verfassungsschutz NRW schon seit Jahren ein Auge auf die „Steeler Jungs“ geworfen. Zu wenig sagt Alexander Ritzmann (50). In einem Beitrag in der „Zeit“ hat der Rechtsextremismus-Experte auf ein gefährliches Problem hingewiesen.
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Essen: Experte warnt vor „Steeler Jungs“
Ritzmann berichtet von Verstrickungen der „Steeler Jungs“ mit der mittlerweile verbotenen Rocker-Gruppierung Bandidos. Von Christian W., der bis vor kurzem noch Präsidenten der Bandidos Essen-Ost war, die trotz Verbot noch weiter aktiv waren. Von den Rocker-Razzien im Jahr 2022 unter anderem in Essen (mehr hier), bei denen Drogen, Waffen eine Canabis-Plantage und reichlich Bargeld gefunden wurden. Von einem Grundstück, dass sich Bandidos und Steeler Jungs geteilt haben sollen, wo die rechtsextreme Band „Kategorie C“ ein Musikvideo gedreht haben soll. Und davon, dass Christian W. auch die Sportsbar 300 gehören soll, die als Treffpunkt der „Steeler Jungs“ in Essen gilt.
„Handelt es sich hier möglicherweise um ein transnationales, rechtsextrem motiviertes und militantes Netzwerk der Organisierten Kriminalität?“, fragt der Politikwissenschaftler. Antworten darauf gebe es keine. Denn nach Angaben des 50-Jährigen ermittle in dem Fall nicht der Staatsschutz mit seinem Bereich für Rechtsextremismus, sondern Polizei und Staatsanwaltschaft. Das Problem aus Sicht von Alexander Ritzmann: Die Behörden würden die großen rechtsextremen Netzwerke nicht aushebeln. „Denn statt des Rechtsextremismus steht die finanziell motivierte Straftat im Vordergrund.“ Und das gelte nicht nur für den Fall der „Steeler Jungs“, sondern auch zahlreicher anderer Netzwerke in Deutschland.
Zur Arbeit von Alexander Ritzmann:
- Politikwissenschaftler und ehemaliger FDP-Politiker
- Berater des Counter Extremism Projekt (CEP) in Berlin
- Im Auftrag des Auswärtigen Amtes hat CEP gewaltorientierte Rechtsextreme und deren transnationalen Aktivitäten untersucht
Drogenhandel statt Nazinetzwerke in Essen
Statt Nazinetzwerke zu enttarnen, würden die Ermittler nur ein Auge auf den Drogenhandel und andere illegale Geschäfte werfen. In Strafprozessen würde in der Regel der politische Hintergrund rechtsextremer Schwerverbrecher nicht hinterfragt. Deshalb „bleiben auch möglicherweise involvierte rechtsextreme Netzwerke und Schlüsselakteure unangetastet“, warnt Ritzmann. Und die lachen sich ins Fäustchen, könnten weiter ihre vermeintlich legalen Sicherheitsunternehmen, Restaurants oder Merchandise-Geschäfte betreiben oder Rechtsrockkonzerte veranstalten.
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„Hier könnte ein Geldwäschenetzwerk existieren, in dem illegale Einnahmen aus Drogenhandel und Prostitution gewaschen werden.“ Aus Sicht des Politikwissenschaftlers müssten Staatsschutz, Landeskriminalamt, Steuerfahndung und Finanzämter bei der Bekämpfung der rechtsextremen Netzwerke ihre Kräfte bündeln. Alexander Ritzmann fordert eine Taskforce auf Länderebene, damit sich die grausame Taten wie vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) oder der Mord an Walter Lübcke nicht wiederholen.