Wie kommt die Evag aus der finanziellen Klemme heraus? Das Konzept der Düsseldorfer Rheinbahn wollen die Essener sich als Vorbild nehmen.
Essen.
Plötzlich schauen alle nach Düsseldorf. In die Diskussion um drohende Millioneneinsparungen bei der Essener Verkehrsgesellschaft Evag hatte OB Reinhard Paß auf das deutlich geringere Defizit der Rheinbahn in der Landeshauptstadt hingewiesen. Tatsächlich hatte die Rheinbahn in dieser Frage die Evag schon lange abgehängt. Während der Düsseldorfer Verkehrsbetrieb inzwischen einen Kostendeckungsgrad von über 80 Prozent erzielt, bleibt die Evag mit etwa 60 Prozent weit zurück. Also geht hier noch mehr – oder nicht?
Rolf Fliß, verkehrspolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion, warnt davor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Weitere Einsparungen zu Lasten des ÖPNV-Angebotes lehnt er entschieden ab – und in diesem entscheidenden Punkt geht er sogar konform mit den Düsseldorfern: Die bauen ihr Angebot für die Kunden trotz allem konsequent aus – und gewinnen jedes Jahr eine Million Fahrgäste dazu.
Rheinbahn gilt als vorbildlich
Die Rheinbahn zählt inzwischen bundesweit als vorbildlicher Verkehrsbetrieb. Sie wirbt damit, ein „schlankes“ Unternehmen“ zu sein. Sie musste allerdings auch deshalb stark abmagern, weil sie sonst als städtische Tochter nicht überlebt hätte. Im Düsseldorfer Rathaus kursierten einst Pläne, das Verkehrsunternehmen zu zerschlagen. Das konnten Vorstand und Betriebsrat (der nach langem Ringen den Sparkurs mittrug) schließlich gemeinsam verhindern, so dass sich sogar Privatisierungsbefürworter schützend vor die Rheinbahn stellten: „Es gibt keinen Privaten, der es besser oder gleich gut machen könnte.“
Das sagte der Düsseldorfer FDP-Fraktionsgeschäftsführer Manfred Neuenhaus vor sieben Jahren. Seitdem fürchtet das Unternehmen den Vergleich nicht mehr. Die bittere Pille musste die Belegschaft schlucken. Das Personal wurde nach und nach von einst 4000 (Anfang der 90er Jahre) auf 2600 Mitarbeiter reduziert – das aber ohne betriebsbedingte Kündigungen. In dieser Zeit stieg der Kostendeckungsgrad von 55 auf über 80 Prozent, verringerten sich die jährlichen Zuschüsse um glatt 60 Millionen Euro!
Jede Schraube in der Werkstatt umgedreht
Betriebsinterne Abläufe wurden auch mit Hilfe externer Unternehmensberater stark gestrafft, Reservekapazitäten bis zur Schmerzgrenze (zeitweise gab es zu wenige Fahrer) verringert. „Wir haben jede Schraube in der Werkstatt und jedes Blatt Papier im Büro umgedreht“, erinnert sich Rheinbahn-Sprecher Georg Schumacher. Und bis heute „ist das Kostenbewusstsein bei uns ungebrochen. Und das unter Wahrung der Qualität.“
Durchaus möglich, dass das ein oder andere Kapitelchen der Rheinbahn-Erfolgsstory sich auch für Essen als Blaupause eignen könnte. Aber vor zu schnellen Schlussfolgerungen sollte man sich hüten. Auch die Essener Verkehrsgesellschaft Evag hat schon einige harte Spar-Runden hinter sich. Vor allem: Sie hat es deutlich schwerer als die Düsseldorfer Verkehrsbetriebe. Die finanzstarke Landeshauptstadt investiert viele Millionen Euro in das ÖPNV-Netz und in eine neue U-Bahn-Linie quer durch die City – schon das sorgt auch in Zukunft für deutlich mehr Kunden. Der ÖPNV-Anteil am Düsseldorfer Gesamtverkehr liegt bei 22 Prozent – Tendenz steigend. Da kommt Essen mit seinen 19 Prozent nicht.
Düsseldorf profitiert von den vielen Pendlern
Außerdem ist Düsseldorf die Berufspendler-Metropole, wovon die Rheinbahn profitiert, ebenso vom Airport und der Messe. Düsseldorf hat VRR-weit die höchsten Fahrgeldeinnahmen und meldete für 2013 einen neuen Rekord von 218 Millionen Fahrgästen. In Essen dagegen stagniert die Zahl bei 125 Millionen.
Ein weiteres Problem ist die Essener U-Bahn. Während in Düsseldorf die Tunnel-Anlagen zu hundert Prozent städtisches Eigentum sind, ist das in Essen nur bei der Nordstrecke der Fall. Bei den anderen Trassen muss die Evag die Kosten selbst aufbringen. Das bedeutet gegenüber der Rheinbahn zu einer jährlichen Mehrbelastung von 17,3 Millionen Euro. Auch ein Nachteil: das unterschiedliche Schienensystem bei der Evag mit insgesamt drei Spurbreiten. Das führt zu Mehrkosten. Ebenso das anfällige und zu aufwändige Spurbus-System – made in Essen.
Wie soll es weitergehen? Für den grünen Verkehrsexperten Rolf Fliß, der auch Vorsitzender des Verkehrsausschusses ist, gibt es nur einen Weg: „Wir brauchen mehr ÖPNV, mehr Via – und wir brauchen einen Zusammenschluss mit weiteren Verkehrsunternehmen.“