Greift die Polizei an legaler Graffiti-Wand in Gelsenkirchen willkürlich Personalien von Sprayern ab?
Am Kußweg wurde im Juni eine legale Graffiti-Wand installiert
Streetart-Initiative beschwerte sich über dortige Polizeikontrollen
Die Beamten begründen ihr Vorgehen
Gelsenkirchen.
Streetart hat ein Imageproblem. Viele sehen in Graffitis vor allem Schmiereien, die den öffentlichen Raum verschandeln. Hausbesitzer klagen in Gelsenkirchen über Schriftzüge (Tags) an ihren Wänden. Insbesondere der Tag „Azur“ prangt an vielen Hausfassaden im Süden der Stadt. Wer von der Polizei erwischt wird, muss mit hohen Bußgeldern rechnen.
Einige Institutionen versuchen, dagegen anzuwirken und die Sprayer mit verschiedenen Aktionen davon abzuhalten, illegal zu sprayen. Dazu gehört unter anderem die Streetart Initiative Gelsenkirchen. Zusammen mit den Falken und dem Jugendzentrum Spunk gibt die Initiative Workshops und bietet Künstlern die Möglichkeit, sich an legalen Graffiti-Wänden auszutoben.
Seit Mitte Juni steht eine dieser Graffiti-Mauern am Kußweg in Gelsenkirchen-Schalke. Doch weil die Polizei dort Präsenz zeigte, fürchtet die Streetart-Initiative, dass die legale Wand nicht länger angenommen wird.
„Wie wir von mehreren Sprayern hingewiesen wurden, nutzt die Gelsenkirchener Polizei die legale Graffiti-Wand, um willkürlich Personalien von Künstlern aufzunehmen und Dosen zu dokumentieren“, schlug Sebastian Kolkau Mitte Juli auf der Internetpräsenz der Streetart-Initiative Alarm.
Dieser Schilderung widerspricht die Gelsenkirchener Polizei. Die Beamten sprechen von einem Einzelfall am 21. Juni 2017. An diesem Tag seien die Beamten von einem Anwohner alarmiert worden, dass zwei Jugendliche eine Wand am Kußweg besprühen.
Zu diesem Zeitpunkt schien sich in der Nachbarschaft noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die Mauer extra zu diesem Zweck aufgestellt wurde.
„Azur“-Tag am Kußweg
Vor Ort stellten die Beamten fest, dass auch der Tag „Azur“ an der Mauer prangte. Das hätten die Beamten zum Anlass genommen, die Jugendlichen zu überprüfen. „Sie konnten allerdings glaubhaft versichern, diesen Tag nicht an die Wand gesprüht zu haben.“, so ein Polizeisprecher gegenüber DER WESTEN.
Andere Einsätze habe es nach Angaben des Polizeisprechers nicht gegeben. Auch Sebastian Kolkau bestätigt, dass sich nach seinem Post keiner der Kids mehr wegen etwaiger Kontrollen am Kußweg bei ihm gemeldet habe.
Dennoch soll das Thema nun auf politischer Ebene diskutiert werden. Kolkau hat erfahren, dass die Polizeipräsenz an der Graffiti-Wand auf der Agenda der SPD, Grünen und Linken im Polizeibeirat am 6. September steht.