Wer diese Choreografie von David Dawson auf die Bühne bringen will, muss extremen Einsatz zeigen. Fast 50 Tänzer quälen sich derzeit im Aalto-Theater. „Dass er etwas verlangt, was unmöglich scheint, ist die große Herausforderung“, sagt der Essener Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh und weiß wie seine Gelsenkirchener Kollegin Bridget Breiner : „Es lohnt sich.“ Mit vereinten Kräften stemmen ihre Compagnien die innovative Version von „Giselle“, die hier sonst ein Traum geblieben wäre. Redakteurin Dagmar Schwalm sprach mit beiden über die Kooperation.
Was hat Sie an David Dawsons „Giselle“ gereizt?
Van Cauwenbergh: Er hat ein neues Konzept für „Giselle“. Er ist einer der wenigen Choreografen, der klassisches und zeitgenössisches Vokabular verbinden kann.
Breiner: Seine Choreografie ist modern, die Ästhetik sehr reduziert, die Bewegungen sind schnell und präzise. Und die Liebesgeschichte ist viel glaubwürdiger.
Tänzerisch ist sie für beide Compagnien machbar. Wären da nicht Dawsons Ansprüche . . .
Van Cauwenbergh: Das Hindernis war die Größe der Compagnie. Wir haben die Qualität, nicht die Quantität. Er will alle Positionen doppelt besetzt haben. Ich verstehe das. Die Bewegungsabläufe sind sehr komplex.
Frau Breiner, was hat Sie für die Kooperation begeistert?
Breiner: Mit David Dawson arbeiten zu dürfen. Ich habe mit ihm bereits in Dresden an der Semperoper gearbeitet. Ich war 2008 dabei, als „Giselle“ kreiert wurde, und sollte die Bathilde tanzen. Wegen einer Verletzung war das nicht möglich.
Bei „Giselle“ tanzen Sie zusammen mit Ihrer Compagnie. Werden Sie als Bathilde zu sehen sein?
Breiner: Sehr wahrscheinlich. David wird in den letzten zwei Wochen bei den Proben dabei sein. Er entscheidet über die Besetzung.
Wie laufen die Proben mit fast 50 Tänzern, davon 15 aus Gelsenkirchen und fünf Gäste?
Van Cauwenbergh: Die Atmosphäre ist gut. Es gibt viel Respekt untereinander und eine positive Konkurrenz.
Gibt es Befürchtungen, dass bei zwei Besetzungen eine Compagnie das Nachsehen hat?
Breiner: Wir versuchen das auszubalancieren, dass beide Compagnien zum Einsatz kommen.
Gibt es andere organisatorische Probleme?
Van Cauwenbergh: Wir müssen in Gruppen probieren, weil der Ballettsaal zu klein ist. Jetzt weichen wir auf die Probebühne aus. Und die Tänzer, die zu unterschiedlichen Zeiten an der Reihe sind, von Gelsenkirchen nach Essen oder umgekehrt von Essen nach Gelsenkirchen zu bringen, ist nicht ganz einfach.
Wie sieht es mit Mehrkosten für Kostüme und unterschiedliche Bühnenbilder aus?
Van Cauwenbergh: Das ist zwischen den Häusern ökonomisch ziemlich ausgeglichen. Für die Solisten gibt es zwei bis drei Kostüme. Bei den anderen Positionen wollen wir mit jeweils einem Kostüm auskommen. Das Bühnenbild wird es nur einmal geben.
Es wird dann für das Theater in Gelsenkirchen angepasst.
Die Koproduktion wirkt sich auf den Spielplan aus. In Gelsenkirchen taucht das Ballett derzeit wenig auf.
Breiner: Das ist nicht anders möglich bei den intensiven Proben. Aber wir sind bei „Jam Session“ und „On The Town“ dabei.
Für wen ist die gemeinsame „Giselle“ ein Gewinn?
Breiner: Für die Tänzer. Es bringt eine neue Kraft in die Compagnie.
Van Cauwenbergh: Auch für die Zuschauer und die Region. Man kann neue Gesichter kennenlernen, einen anderen choreografischen Stil. Für mich ist diese Kooperation eine Fortsetzung der Kulturhauptstadt.