WAZ-Leser besichtigen die Baustelle für das neue Pumpwerk an den Sutumer Brücken in Gelsenkirchen. Kosten: 50 Millionen Euro. High-Tech für den Emscherumbau.
Gelsenkirchen.
Nicht alle Tage ist es einem vergönnt, die tiefste Erdbaustelle im Land einmal aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. 20 Leser hatten jetzt dieses Glück anlässlich der Aktion „WAZ öffnet Pforten“. Sie warfen einen ausgiebigen Blick ins Emscher-Pumpwerk an den Sutumer Brücken. Und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, so viel steht fest.
Die Dimensionen des Projektes und des Bauwerks an sich sind es, die die sicher behütete Leserschaft mit weißen Helmen, knallbunten Warnwesten und Gummistiefeln so verblüffen. „Allein die Baugrube des Pumpwerks hat einen Durchmesser von 47 Metern und ist 37 Meter tief“, erklärt Markus Kühnel von der Emschergenossenschaft. Der Diplom-Geologe ist der Tour-Guide.
Ab 2018 wird das technische Bravourstück in Aktion treten. „Bis zu einer Milliarde Liter Abwasser können dann hier täglich gepumpt werden“, sagt Kühnel. Elf Kreiselpumpen mit einer Leistung von umgerechnet 6800 PS sorgen für einen Durchfluss von 13,6 Kubikmetern Wasser pro Sekunde. Bildhaft ausgedrückt: Rund 70 volle Badewannen jagen dann durch die 60 bis 80 Zentimeter dicken Rohre. Pro Sekunde!
Wie steht es um die Sicherheit?
Womit Kühnel bei der Kernaufgabe dieser 50 Millionen Euro teuren High-Tech-Anlage und des Emscherumbaus (Gesamtkosten: fünf Milliarden Euro) angekommen ist: Zu trennen, was nicht zusammengehört. Und zwar sauberes Fluss- und Regenwasser, das in die Emscher fließt und Abwasser, das von Gelsenkirchen – das passt so schön ins Bild – mit Nachdruck auf seinen Weg zu den Kläranlagen in Bottrop und Dinslaken gebracht wird. Damit die Emscher wieder ein naturnaher Fluss wird. Und zwar im Verbund mit anderen Pumpwerken durch den neuen unterirdischen Abwasserkanal Emscher auf einer Strecke von 51 Kilometern zwischen Dortmund und Dinslaken.
Über vier Ebenen führt Markus Kühnel die Leser: Pumpen-, Motor-, Maschinen- und Kranebene. 37 Meter insgesamt, die auf den stählernen Nirosta-Treppen für hörbar schwere Atemzüge sorgen. Eine Besucherin ruft prompt scherzhaft: „Mann, da kriegse ja ’nen Herzinfarkt!“ Lacher und zustimmende Schnaufer folgen.
Spätestens auf der Pumpenebene bricht ein Gedanke sich bei den Lesern Bahn. Wie steht es eigentlich um die Sicherheit? Was, wenn die Pumpen versagen, vielleicht sogar alle gleichzeitig – steht dann das halbe Revier unter Wasser?
Zum Abschluss der Tour geht es aufs Dach
Eine Frage, mit der Markus Kühnel schon gerechnet hat. Er kann die Bürger beruhigen: „Die Anlage ist so konzipiert, dass nicht alle Pumpen gleichzeitig laufen.“ Vielleicht eine Handvoll, denn in der Regel kämen hier an den Sutumer Brücken drei Kubikmeter Wasser pro Sekunde an. Also noch viel Luft, Pardon Wasser, nach oben. „Wir halten zudem noch einen Platz für eine weitere, zwölfte Pumpe vor“, fügt der Geologe hinzu. Und das gibt es ja noch einen Überlauf. Sollte der sehr unwahrscheinliche Fall der Fälle auftreten, läuft das Wasser dank eingebauter Neigung praktisch von allein zu seinem Bestimmungsort.
Apropos Neigung: Der neue unterirdische Abwasserkanal mit 1,5 Promille Gefälle hat seinen Anfang in acht Metern Tiefe in Dortmund, in Gelsenkirchen erreicht er 30 Meter und er endet in Dinslaken in 40 Metern.
Zum Abschluss der Tour geht es auf das Dach des Betriebsgebäudes, einen rot-braunen geklinkerten Rundbau. Im Innern warten riesige Transformatoren darauf, die leistungshungrigen Pumpen zu versorgen. Von oben haben die Leser einen tollen Rundumblick, die Emscher im Rücken, die schon bald ihre „Stinkeparfümierung“ los sein wird, vor Kopf die Veltins-Arena, von der vielleicht auch einmal ein neuer, meisterlicher Duft herüber weht. Schöne Aussichten!