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Warten auf den Führerschein: Warum viele Fahrschüler im Ruhrgebiet ihre praktische Prüfung nicht machen können

Warten auf den Führerschein: Warum viele Fahrschüler im Ruhrgebiet ihre praktische Prüfung nicht machen können

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Foto: Funke Foto Services
  • Im Ruhrgebiet herrscht ein akuter Mangel an Fahrprüfern
  • Der TÜV-Nord begründet das mit der Flüchtlingswelle
  • Die Fahrschulen sehen das ein bisschen anders

Gelsenkirchen. 

Heutzutage machen ihn etliche bereits mit 17, viele haben ihn spätestens mit 18 Jahren: Den Führerschein. Er bedeutet einen großen Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Im Ruhrgebiet müssen viele jetzt lange auf dieses Gefühl der Freiheit warten.

Der Grund ist ein erheblicher Mangel an Prüfern beim TÜV-Nord. Aufgrund der hohen Nachfrage ist dieser aktuell schlichtweg überfordert. „Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir fünf Prozent mehr Prüflinge. Das macht sich natürlich bemerkbar“, erklärt Rainer Camen vom TÜV-Nord.

Theoretische Prüfungen auf Hocharabisch

Hinzu kommt, dass man durch den demografischen Wandel mit zwei Prozent weniger Fahrschülern gerechnet hatte. Das bedeutet dann schon einen Unterschied von sieben Prozent, den man im Moment nicht auffangen kann.

Laut TÜV hat das viel mit dem Zuzug der Flüchtlinge in den vergangenen zwei Jahren zu tun. Mit dem deutlich höheren Andrang hatte man nicht gerechnet. „Seit Oktober 2016 bieten wir die theoretischen Prüfungen auch auf Hocharabisch an. Damit auch die Flüchtlinge die Möglichkeit haben, den Führerschein zu machen.“ Zudem seien ungewöhnlich viele Prüfer krank.

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Auf die aktuelle Entwicklung hat der TÜV-Nord aber bereits reagiert und ein Maßnahmen-Paket erstellt. „Wir bieten jetzt auch an Samstag Prüfungen an. Zudem holen wir uns Prüfer aus anderen Regionen, in denen nicht so viel los ist, wie im Ruhrgebiet“, so Camen.

Auf lange Sicht sollen dann wieder deutlich mehr Prüfer eingestellt werden. Da diese aber erst noch ausgebildet werden müssen, ist das keine kurzfristige Lösung. Dennoch rechnet man mit einer schnellen Verbesserung der aktuellen Verhältnisse.

„In etwa drei Wochen sollte sich das Ganze wieder beruhigt haben. Dann sollten wir die Lage in den Griff bekommen haben. Gerade kurz vor den Sommerferien ist der Andrang immer besonders hoch“, sagt Camen.

Fahrschule ist enttäuscht

Bei der Fahrschule Kessler in Gelsenkirchen, einer der größten deutschlandweit, sind sie diesbezüglich weniger optimistisch. „Wir rechnen eher mit drei bis vier Monaten“, sagt Geschäftsführer Volker Kessler. „Wir haben aktuell 30 Schüler, die bereit wären, ihre praktische Prüfung abzulegen. Dieser Verzug lässt sich nicht in wenigen Wochen regeln.“

Angesprochen auf die vom TÜV angeführte Flüchtlingswelle als Begründung für die momentanen Probleme reagiert Kessler enttäuscht. „Da ist sicherlich etwas dran, aber damit macht man es sich ein bisschen zu einfach. Dass wir viele Flüchtlinge bekommen würden, war ja keine ganz große Überraschung.“

Hohe Einbußen könnten die Folge sein

Mit den Konsequenzen müssen in erster Linie die Fahrschulen selbst leben. „Die Verärgerung der betroffenen Schüler und Großkunden ist bei uns natürlich deutlich spürbar. Wenn uns beispielsweise die Feuerwehr damit beauftragt, dass ihre Mitarbeiter den Führerschein Klasse C bis zu einem bestimmten Zeitpunkt machen sollen, ist das natürlich ein Problem“, sagt Jean-Claude Sykora, ebenfalls in der Fahrschule Kessler tätig.

„Wenn wir dann als unzuverlässig gelten und Großkunden verlieren, könnte das Einbußen im mittleren fünfstelligen Bereich bedeuten.“ Deswegen hofft die Fahrschule stark darauf, dass der TÜV den Mitarbeitermangel langfristig beheben kann.

ADAC hat noch keine Daten

Das Versprechen, dass zusätzliche Prüfer aus der Umgebung im Ruhrgebiet aushelfen, sieht Volker Kessler allerdings skeptisch. „Ich tausche mich regelmäßig mit den Kollegen aus. Auch an anderen Standorten herrscht ein Mangel an Fahrprüfern.“

Der ADAC hat im Übrigen noch keine statistischen Daten zu dem Thema erhoben. Auch aufgrund der engen Zusammenarbeit mit den Fahrschulen könnte sich das aber ändern. „Das ist natürlich ein wichtiges Thema“, so eine Mitarbeiterin des Regionalclubs Nordrhein-Westfalen.

Den betroffenen Schülern bleibt zunächst einmal aber nichts anderes übrig, als warten und hoffen. Auf den großen Schritt Richtung Unabhängigkeit.