Seit 2007 ist das Konzept Early Excellence (EEC) in Mülheim Thema. Er setzt auf die Eigenständigkeit von Kita-Kindern. Einige Eltern und Erzieher kritisieren es massiv.
Das auf Selbstständigkeit und individuelle Förderung angelegte Konzept Early Excellence (EEC), auf dessen Basis inzwischen alle 39 städtischen Kindertagesstätten arbeiten, bewegt und polarisiert. Jüngst wurde es von den Grünen im Jugendhilfeausschuss thematisiert. Zudem legten Eltern, Erzieherinnen und eine Kinderärztin, stellvertretend für eine größere Gruppe, ihre Bedenken in einem dreistündigen Gespräch mit Bildungsdezernent Ulrich Ernst dar.
Early Excellence ist seit 2007 Thema in der Stadt. Die Grundidee dahinter: Jedes Kind hat eigene Stärken und Talente, die es zu entdecken gilt, und jedes Kind möchte von sich aus lernen. Deshalb entscheiden Kita-Kinder bei EEC allein, was und wie sie etwas tun möchten. Die Erzieher, so sieht es das Konzept vor, sollen für eine Umgebung sorgen, die die Jungen und Mädchen anregt und herausfordert.
Für die Kritiker hat sich das in der Praxis nicht bewährt. Ihr im Gespräch mit Ulrich Ernst zugespitzter Vorwurf: Kinder würden sich selbst überlassen. Die Folge: Kinder blieben den ganzen Tag in einem Lernraum, weil sie befürchten, dass ihnen sonst ihr Spielzeug weggenommen wird. Deshalb gingen sie auch oft nicht zum Mittagessen. Eltern seien bei den Teambesprechungen in den Kitas unerwünscht. Erzieherinnen könnten ihnen auf Nachfrage keine konkreten und kontinuierlichen Auskünfte über die Entwicklung ihrer Kinder geben. Geplante Aktivitäten fielen aufgrund von Zeit- oder Personalmangel aus. Verstörte Kinder würden plötzlich aggressiv oder still. Sie könnten nicht schlafen. Vorschulkinder wüssten noch nicht, wie man soziale Kontakte knüpft oder wie man Stift und Schere hält. „Bildung entsteht durch Bindung“, erklärte ein Vater seine Forderung nach einer besseren personellen Ausstattung der städtischen Kitas.
Stadt will Kritik aufarbeiten
Bildungsdezernent Ulrich Ernst, die für Early Excellence zuständige Koordinatorin und Fachberaterin Karin Bode-Brock und Ingolf Ferner, Abteilungsleiter im Jugendamt, zeigten sich im Gespräch betroffen. Das Geschilderte „ist genau das Gegenteil von dem, was wir mit Early Excellence erreichen wollen.“ Die Kritik werde im Rahmen der Qualitätssicherung aufgearbeitet, versprach Ulrich Ernst. Er ist einer der Urheber von Early Excellence in den städtischen Kitas. Vier Millionen Euro investierte die Stadt in Vorbereitung, Realisierung und wissenschaftliche Begleitung von EEC. Ernst betonte, er habe „ein starkes Interesse daran, dass dieses gute pädagogische Konzept“ nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert. Er betonte jedoch, dass er von „Eltern und Erzieherinnen, die heute nicht mit am Tisch sitzen“ viel Positives über die Praxis der Early-Excellence-Pädagogik gehört habe.
Karin Bode-Brock wies darauf hin, dass alle Erzieherinnen vor der Umstellung der städtischen Kitas eine einjährige Fortbildung durchlaufen hätten. Und Ingolf Ferner unterstrich, dass das zuständige Jugendamt jederzeit für Anregungen und Kritik offen sei. Ernst forderte die Eltern auf, konkrete Einrichtungen zu nennen, damit man an konkreten Schwachstellen arbeiten könne. Den Vorschlag einer Elternbefragung zur EEC-Praxis lehnte er aber als wissenschaftlich nicht aussagekräftig ab.
Auch im Jugendhilfeausschuss wies Dezernent Ulrich Ernst pauschale Kritik an EEC zurück, räumte aber individuelle Probleme ein, an denen gearbeitet werden müsse. Karin Bode-Brock kündigte für 2016 ein großes Fortbildungsprogramm für Erzieherinnen an.