Bergmann-Original aus Oberhausen hat zum Steinkohle-Ausstieg noch einen wichtigen Wunsch
Ralf Fröhlich malochte drei Jahrzehnte lang unter Tage
2017 ging es für ihn in den Vorruhestand
Der ehemalige Bergmann vermisst jetzt „dat Scheiße-Quasseln“
Oberhausen.
1,94 Meter groß, massiver Brustkorb und Hände wie Bratpfannen. Das ist Ralf Fröhlich (50). Der ehemalige Bergmann behauptet von sich, unter Tage „immer volle Pulle“ gegeben zu haben.
Das kauft man dem gebürtigen Oberhausener auf den ersten Blick ab. Doch wer genauer hinschaut, erkennt auch, wie die Maloche auf dem Pütt den 50-Jährigen gezeichnet hat.
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Auf Kohle geboren ist der Titel unseres Specials zum Ende der Steinkohle-Ära im Ruhrgebiet. Bis zur Schließung der letzten Zeche Ende Dezember berichten wir wöchentlich über alles rund um den Abschied der Bergleute aus dem Revier. Echte Typen, ganz viel Tradition und noch mehr Herz – hier findest du alle Glückauf-Themen in der Übersicht.
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Bergbau hinterlässt Spuren
In gebückter Haltung mit schwerem Gerät durch Hitze, Schlamm und Staub kriechen, das ist Gift für die Gelenke. Bei Fröhlich zicken die Knie und der Rücken herum, sagt er. Auch seine Sehkraft litt wegen des Staubs und des blendenden Tageslichts nach den Grubenfahrten.
Dazu kann der 50-Jährige drei seiner Finger wegen unkontrolliert wachsenden Gewebes in den Händen nicht mehr ausstrecken. Einer Operation hat er sich deshalb bereits unterzogen. Doch bei einem Eingriff wird es nicht bleiben, sagen die Ärzte.
Trotzdem bereut Ralf Fröhlich keine Sekunde, in die Fußstapfen seiner Vorfahren – sein Opa, Vater, Onkel und Bruder arbeiteten bereits unter Tage – getreten zu sein.
Vor allem die gemeinsame Zeit mit der Mannschaft fehle ihm seitdem. „Dat Lachen, dat Weinen, dat Scheiße-Quasseln“, wie er die Gemeinschaft unter den Kumpels beschreibt. Jede seiner Aussagen verdeutlicht: Dieser Mann trägt sein Herz auf der Zunge.
Zudem vermisse er die harte körperliche Arbeit. „Sicher hasse manchmal geflucht, wenn du nur Futtsack* hattest. Aber wenn du so eine richtige Scheiß-Schicht hinter dich gebracht hast mit Wasser, Schlamm, Krämpfen und Schweiß, dann war die Zusammengehörigkeit auch am besten. Da warst du nach der Schicht stolz, auch wenn du vielleicht nicht viel auf den Pin gekriegt hast.“
*Futtsack: „Da hasse aber wieder ma Futtsack“. Abgeleitet wird umgangssprachliche Redewendung aus dem Bergbau zu einer Zeit, in der noch Grubenpferde eingesetzt wurden. Die bekamen zur Beruhigung einen „Futtersack“ umgeschnallt, wenn Unruhe im Schacht aufkam. Später sprachen die Leute, vor allem im Ruhrgebiet und Rheinland, bei kniffligen Situationen von „Futtsack“.
Steiger-Schule? Nein danke!
Mit seiner Einstellung arbeitete er sich hoch bis zum Strebmeister. 2006 sei er auf Prosper gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, noch einmal zur Steiger-Schule zu gehen.
Aber er fürchtete, dass er das Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Leuten auf Zeche verlieren würde und entschied sich gegen die Ausbildung zum Steiger: „Dann hab ich so den Rest durchgezogen und fertig.“
Fröhlichs Onkel wurde unter Tage begraben
Trotz all der Wehmut ist der 50-Jährige zu Teilen auch froh, dass die gefährliche Arbeit hinter ihm liegt und er seine Tochter (21) aufwachsen sehen kann.
Dass es auch anders laufen kann, zeigt das Beispiel seines Onkels. Der ließ unter Tage sein Leben, begraben unter einem großen, flachen Stein. Ein „Sargdeckel“, wie die Bergmänner zu den gefürchteten Gesteinsbrocken sagen, die sich plötzlich lösen.
Das Ende der Steinkohle-Ära schmerzt
„Wir haben hier eben früher Schweiß und Blut verloren“, erinnert er sich auf dem mittlerweile wieder begrünten Gelände der stillgelegten Zeche Osterfeld.
Dass der Steinkohle-Bergbau im Ruhrgebiet ab Dezember endgültig Geschichte sein wird, bedauert der ehemalige Bergmann zutiefst.
„Die Leute müssen wissen, wo sie herkommen“
Manche Zechen wurden in der Zwischenzeit komplett dem Erdboden gleich gemacht. Auf dem Gelände seines Heimatpütts erinnern unter anderem noch das denkmalgeschützte Steigerhaus, die Mischhalle und der Förderturm an große Industrie-Zeiten.
Für die Zukunft hat Fröhlich den bescheidenden Wunsch, dass das Werk und Erbe der Kumpel nicht vergessen wird: „Wenn die Leute noch wissen, wo sie herkommen, dann passt dat.“