Ums Oberhausener Rotlicht-Viertel gibt’s immer wieder Knatsch. H., Hausbesitzer an der Flaßhofstraße, führte Bürger aus Oberhausen durch das Viertel und ein Bordell, stand Rede und Antwort. Die älteste Prostituierte ist 66 Jahre alt.
Oberhausen.
Warum ist denn da Stacheldraht auf der Mauer? Die Besucher wundern sich. H. (40)*, Hausbesitzer an der Flaßhofstraße in Oberhausen, klärt seine Gäste direkt auf: „Wir hatten hier schon oft Einbrecher“, deutet er auf das Haus hinter der Mauer, in dem die Prostituierten ihre Zimmer haben. Und führt dabei eine Gruppe Oberhausener in das Sperrgebiet, das Bordellviertel Oberhausens.
Was die Besucher zu sehen bekommen: eine nüchterne Straße an einem Mittwochmorgen. Ein Haus, in dem gerade Reinigungskräfte fleißig bei der Arbeit sind. Wenn das Gros der Frauen gleich zum Dienst erscheint und die Freier erwartet werden, müssen schließlich alle Zimmer sauber sein.
Beim Weg in eines der oberen Stockwerke weist H. auf die ausgetretenen Treppenstufen hin: „Hier sind schon viele Menschen hoch und runter gegangen“, sagt er. Seinen Gästen gestattet er einen Blick in eines der Zimmer. Derweil huschen immer wieder Prostituierte durch die Gänge. Bekleidet mit engen, schwarzen, durchsichtigen Netzanzügen oder knappen Miniröcken.
Arbeit mit Kondom
„Alle Zimmer sind standardmäßig“, erklärt der Hausherr über die recht schlichten, so gar nicht plüschigen Räume mit Dusche, Bidet, viel roter Farbe und zwei Alarmknöpfen für den Fall der Fälle, wenn Herren mal unangenehm werden. H., dessen Vater als Seniorchef später dazu kommt, kennt manche der Damen, die hier arbeiten, schon seit 25 Jahren. Das Unternehmen ist ein Familienbetrieb. „Ich bin im Bordell aufgewachsen“, sagt der 40-Jährige, der in einem Schweizer Internat sein Abi machte, eine kaufmännische Lehre absolvierte und Wirtschaftswissenschaften studierte. Der Unternehmer erinnert sich, wie er als Kind für die Frauen zu Weihnachten Gedichte aufsagte und Engelchen bastelte.
Sein Vater, mittlerweile auch zur Gruppe gestoßen, erklärt wie viel Wert sie immer noch darauf legten, dass die Frauen mit Kondom arbeiten. Und er ergänzt: „Wir spenden auch für die Aids-Hilfe.“
Dann führen die Herren H. die Gäste in die Küche im Untergeschoss des Hauses, in der eine Wirtschafterin, sie arbeitet schon seit Ewigkeiten für die Familie, den Frauen Frühstück macht und Essen für sie kocht. H.: „Hier dürfen normalerweise keine Männer rein.“ Denn hier laufen die Frauen auch schon mal in Pantoffeln rum, in Morgenmänteln, mit Lockenwicklern. H.: „Hier sind sie die normale Frau, die Hausfrau, Mutter, während oben den Männern eine Illusion verkauft wird, von der perfekten, der wunderschönen Frau.“ Und er erklärt auch, dass ein großer Teil der Männer, die zu ihnen kämen, verheiratet seien. Auch wenn die Prostitution gesetzlich legal ist, übe sie doch den Reiz des Verbotenen aus.
Furchtbare Schicksale
Ob die Straße gewachsen sei, will ein Gast wissen. Ja, das sei sie. Und wie alt sind die Frauen? „Bei uns im Schnitt 35 Jahre“, so H.. Während er Fragen beantwortet, holt sich die älteste Prostituierte des Hauses, lange schwarze Haare, knapper knallenger schwarzer Mini, die 66 Jahre alt ist, einen Kaffee. Mustert die Besucher überrascht.
Ob sich der Altersdurchschnitt der Kunden erhöht hat? Markus H.: „Wir haben hier die gerade 18-Jährigen, die mal gucken wollen wie das in einem Bordell ist, bis hin zu Greisen, die am Stock gehen.“ Und dass die Gesellschaft immer älter werde, merke man schon. „Und immer fitter“, ergänzt H.s Vater sofort. „Ich bin 72 und fit, ich habe auch noch eine junge Freundin.“
Wie das ist mit Zwangsprostitution, interessiert die Besucher natürlich. „Den einen oder anderen Fall gibt es auch bei uns“, geben die Männer zu. Sie würden aber eher sagen, dass 96 Prozent der Frauen freiwillig arbeiten. „Es gibt furchtbare Schicksale“, will H. nichts beschönigen, aber es gebe auch die Frauen, die in dem Job glücklich seien. Manche Frauen machten sich später selbstständig, nennt er einige Gründe für den Job. Andere wollten eine schöne Schiffsreise für sich und ihren Mann finanzieren, manche seien alleinerziehend, andere arbeiteten halbtags als Sekretärin, verdienten sich was dazu.
Internet senkt Hemmschwelle
Wer die Preise macht, wollten die Besucher wissen. „Wir haben einen Grundpreis von 30 Euro“, erklärt H. senior. Darüber hinaus können die Frauen an Geld nehmen, was sie wollen. „Und was ist, wenn eine Frau das Geld für das Zimmer nicht zahlen kann?“ Dann erhielte sie eine zweite Chance am nächsten Tag. Wer dann immer noch nicht flüssig sei, müsse ausziehen.
Die Oberhausener haben noch viele Fragen. Ob es auch hier einen Kampf um Marktanteile gebe? H. senior dazu: „Einen Machtkampf wie in Hamburg oder Frankfurt gibt es bei uns nicht, die Hausbesitzer hier sind alle Deutsche.“ Türken hätten sich an der Flaßhofstraße mal „groß machen wollen. Da haben wir deren Mädchen nicht mehr genommen, da waren sie auch bald weg.“
Eine Frage interessiert die Mitglieder der Besuchergruppe schließlich noch: „Macht es Ihnen zu schaffen, dass die jungen Leute heute viel offener sind?“ „Natürlich“, sagt H.. Heute sei es normal, sich im Internet zum Sex mit Unbekannten zu verabreden. Früher habe es auch keine Swinger-Communitys gegeben. Durch das Internet sänken die Hemmschwellen der Menschen, alle Arten von Perversionen würden gefördert. Der Familienvater H. erklärt sich in diesem Fall für konservativ: „Es hat eine Veränderung in der Gesellschaft stattgefunden, die ich nicht gut finde.“