Erstmals in der Geschichte der Stadt Oberhausen soll der Rat eine zentrale Entscheidung für die Zukunft der Stadt vollständig in die Hände der Bürger legen.
Oberhausen.
Erstmals in der Geschichte der Stadt Oberhausen soll der Rat eine zentrale Entscheidung für die Zukunft der Stadt vollständig in die Hände der Bürger legen. Mit einem vom Rat initiierten Bürgerentscheid sollen alle Oberhausener darüber bestimmen, ob der verkehrspolitisch für die Region wichtige Lückenschluss im Straßenbahn-Netz zwischen dem Centro und Essen-Frintrop in den nächsten Jahren gebaut wird – oder eben nicht. Diesen Beschluss hat die größte Fraktion im Oberhausener Rat, die SPD, auf ihrer Klausurtagung in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt abgesegnet.
Hintergrund dieser überraschenden Entscheidung ist der Zwiespalt, in der Politik und Bürger stecken: Einerseits empfehlen die Fachleute die Verlängerung der Straßenbahnstrecke der Essener Straßenbahn 105 von der Haltestelle Unterstraße in Frintrop zur „Neuen Mitte“ am Centro, weil der Kosten-Nutzen-Effekt durch die Alternativ-Verbindung zwischen Oberhausen-Hauptbahnhof und Essen-Hauptbahnhof selten so groß ist wie hier, da wichtige Stadtteile zweier Großstädte miteinander verbunden werden. Man erwartet mehrere tausend neue zahlende Fahrgäste pro Woche.
Eine Menge Bedenken bei der SPD
Andererseits kostet die zu bauende 3,3 Kilometer lange neue Verbindungsstrecke 80,2 Millionen Euro, von denen Land und Bund 90 Prozent übernehmen. Die Folgekosten für den Betrieb allerdings, geschätzt auf 400.000 Euro pro Jahr, müsste die Oberhausener Nahverkehrstochter Stoag tragen.
Seit 2007 gilt in NRW laut Gemeindeordnung (§ 26 Abs. 1): „Der Rat kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder beschließen, dass über eine Angelegenheit der Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbürgerentscheid).“ Eine solche Entscheidung des Rates kommt in Betracht, wenn ein Thema in der Stadt wie im Rat hoch umstritten ist, und wenn von der Abstimmung erwartet werden kann, dass diese zur Befriedung in der Gemeinde führt.
Auch in der SPD-Fraktion gibt es deshalb eine Menge Bedenken gegen den teuren Neubau: Besteht nicht die Gefahr, dass diese Kosten dazu führen, dass die Stoag an anderer Stelle sparen muss und das Angebot in anderen Stadtteilen unter der neuen 105-Linie leidet?
Aufgeheizte Stimmung
„Es wird kritisch hinterfragt, ob das eine Maßnahme ist, an der sich eine arme Stadt beteiligen sollte. Deshalb wollen wir bei dieser Großinvestition Volkes Wille ermitteln“, sagt SPD-Fraktionschef Wolfgang Große Brömer. Weil das Planfeststellungsverfahren ansteht und die Fördergelder nur bis Ende 2018 nach Baufertigstellung abgeholt werden können, soll die Befragung möglichst schnell erfolgen. Sie muss aber noch in der Ampel-Koalition mit Grünen und FDP abgestimmt werden. Wie bei einer normalen Wahl wird es Wahllokale geben; mindestens zehn Prozent muss die Wahlbeteiligung hoch sein, dann gilt das Votum „Ja“ oder „Nein“ zur Neubaustrecke. Der Rat ist an diesem Bürgerentscheid gebunden.
Der Beschluss der SPD wurde auch aufgrund taktischer Erwägungen gefasst: Eben weil die Strecke in der Bevölkerung so umstritten ist, wäre ein normaler Bürgerentscheid, ausgelöst von Bürgerinitiativen wahrscheinlich – erst recht in der aufgeheizten Stimmung vor der im Herbst 2015 anstehenden Wahl des neuen Oberbürgermeister. Da wollte man lieber selbst handeln.