Bottrop plant ein einzigartiges Energiespar-Viertel. Doch ein halbes Jahr nach dem Start ist davon noch nicht viel zu sehen. Oberbürgermeister Tischler zieht eine selbstkritische Bilanz.
Bottrop/Essen.
Seit gut einem halben Jahr trägt Bottrop den Titel „Innovation City“. Das weckt hohe Erwartungen – und einige Bürger fragen sich mittlerweile: „Warum sieht man noch nichts vom angekündigten Großprojekt? Wann tut sich endlich etwas? Und was haben wir eigentlich von der Innovation City?“
Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) kann nachvollziehen, dass für viele Bürger noch nebulös ist, was sich hinter dem Projekttitel verbirgt. Auch Tischler zieht durchaus eine selbstkritische Bilanz. „Wir haben den Bürgern noch nicht gut genug rübergebracht, warum es sinnvoll ist, jetzt zu investieren“, sagt der Oberbürgermeister. Er räumt ein, dass die Eröffnung des zentralen Informationszentrums in Bottrop später erfolge als geplant, nämlich erst Anfang September. Auch die Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und der Projektgesellschaft für die Innovation City müsse noch verbessert werden.
„Man hat die Zeitabläufe unterschätzt“
Im Initiativkreis Ruhr, der das Projekt angestoßen hat, kommt man zu ähnlichen Einschätzungen. „Dass es vorwärts geht, muss konkret sichtbar werden. Das muss beschleunigt werden. Man hat zum Teil die Zeitabläufe unterschätzt“, sagt Burkhard Drescher, der einstige Oberbürgermeister von Oberhausen, der seit wenigen Wochen Sonderbeauftragter für Innovation City ist. Gemeinsam mit Tischler soll Drescher den Neustart des Projekts organisieren.
Hintergrund: In Bottrop soll innerhalb der nächsten zehn Jahre ein bundesweit einzigartiges Energiespar-Viertel entstehen. Das Projektgebiet umfasst eine Fläche von rund 2500 Hektar im Bottroper Süden und in der Innenstadt. Geplant ist, möglichst den gesamten Gebäudebestand zu sanieren. Alte Heizkessel sollen ausgetauscht und durch Wärmepumpen und Solaranlagen ersetzt werden. Dabei sind die Projektverantwortlichen allerdings maßgeblich auf die Mithilfe der Bürger angewiesen. Ziel ist es, den Energiebedarf in der Innovation City bis zum Jahr 2020 um mehr als die Hälfte zu reduzieren.
Vorbild ist unter anderem die schwedische Stadt Malmö. Hier gibt es bereits ein Viertel, in dem Strom und Wärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Anders als beim Neubauprojekt in Malmö geht es in Bottrop allerdings um die Sanierung eines bestehenden Wohnquartiers. Mit diesem Ansatz könne Bottrop „eine Blaupause für die Republik“ liefern, sagt Alfred Oberholz, Aufsichtsratsmitglied der Projektgesellschaft von Innovation City.
Finanzierung ist noch unklar
Das Vorhaben, das auch über das Ruhrgebiet hinaus Strahlkraft entwickeln soll, befindet sich nun in einer entscheidenden Phase. Insbesondere die genaue Finanzierung ist noch unklar. Derzeit laufen die Vorbereitungen für eine Konferenz am 2. September, bei der die Weichen für Bottrop gestellt werden. Erwartet werden hochrangige Vertreter der Europäischen Union, des Bundes, des Landes NRW und der Industrie. „Am 2. September soll die Gesamtfinanzierung des Projekts stehen“, betont Drescher.
Nach Schätzungen des Initiativkreises Ruhr könnten insgesamt knapp 2,5 Milliarden Euro durch private Investitionen und staatliche Förderungen nach Bottrop fließen. „Die Zahl steht weiterhin“, betont Oberholz. Geplant sei auch ein Fonds für jene Bottroper, die eine Sanierung ihres Eigenheims nicht aus eigener Kraft finanzieren können.
Erste Aktionen geplant
Neben der Modernisierung ganzer Wohnviertel gibt es zahlreiche Ideen für die Revierkommune. Schon in wenigen Wochen soll der Prototyp eines neuartigen Windrads, ein sogenannter Vertikaldreher, im Stadtgebiet aufgestellt werden. Außerdem sind verschiedene Aktionen geplant – zum Beispiel ein Preisausschreiben für den kostenlosen Einbau von Heizungsanlagen. Und in absehbarer Zeit soll eine Lärmschutzwand an der Autobahn 42 mit einer Solaranlage ausgestattet werden.