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Commerzbank rät zu neuer Fehlerkultur in Unternehmen

Commerzbank rät zu neuer Fehlerkultur in Unternehmen

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Foto: WP
Das Thema zukunftsweisend, der Zeitpunkt unglücklich. Am Vorabend der Aufsichtsratssitzung, nach der 9600 Arbeitsplätze bei der Commerzbank gestrichen werden sollen, stellte die Mittelstandsbank West in Hagen Spitzenvertretern aus Unternehmen Wege ins Zeitalter der Digitalisierung und die jüngste Mittelstandsstudie vor.

Hagen. 

Der digitale Wandel ist ein Jobmotor, kein Jobkiller. So lautet die Quintessenz der brandaktuellen Commerzbank-Mittelstandsstudie 2016, für die deutschlandweit 4000 Unternehmen befragt worden sind, darunter 928 in NRW, und die am Mittwochabend in Hagen verbreitet wurde. Demnach rechnen 46 Prozent der befragten Unternehmen durch die Digitalisierung mit einer wachsenden Beschäftigtenzahl.

Eine gute Botschaft, die am Vorabend der Commerzbank-Aufsichtsratssitzung in Frankfurt dennoch beinahe zynisch klang. Schon vor der lange geplanten Veranstaltung in Hagen war längst durchgesickert, was sich gestern in Frankfurt bestätigte. Deutschlands zweitgrößtes Finanzinstitut wird 9600 der weltweit rund 45 000 Vollzeitstellen streichen. 2300 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, in Wachstumsfeldern. Wohl auch im Zusammenhang mit Digitalisierung, die in der Branche in vollem Gange ist. Die Commerzbank probiert hier manches aus. „Open-Space-Clubs“ etwa, wo sich traditioneller und neuer digitaler Mittelstand treffen können.

Ein Versuch: Open-Space-Clubs

Es passt zum Thema des Abends in Hagen, bei dem rund 300 namhaften Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Region von Commerzbankern und Experten aus der Digitalwirtschaft Ratschläge angeboten wurden. Zum Beispiel, wie ein Mittelständler es zusammen mit seinen Leuten am besten anstellt, Tradition und Moderne zu vereinbaren. Lebenslanges Lernen, Offenheit für Kooperation zwischen Unternehmen und eine neue Fehlerkultur seien zentrale Anforderungen an moderne Firmenchefs, empfahl Hagens Niederlassungsleiter Marc Werner, und blickte auch auf die eigene Branche: „Das Bankengeschäft hat sich in den letzten Jahren um 360 Grad gewandelt.“ Immer rasanter.

Für Commerzbanker und ehemalige Dresdner Banker hat sich das Karussell seit 2009 kaum mehr aufgehört zu drehen. Die Talfahrt, die der Staat seinerzeit mit Milliarden-Finanzspritzen vor dem Zerschellen am Boden abbremsen musste, schien gerade überstanden, da wurde schon eine neue Runde eingeläutet. Tausende Arbeitsplätze wurden abgebaut. Manch einer mutmaßt rückblickend, die Einschnitte unter Commerzbank-Chef Blessing seien nicht tief genug gewesen, der gestern angekündigte Stellenabbau die Konsequenz der Inkonsequenz zuvor.

Ob tatsächlich 2300 neue Arbeitsplätze in Wachstumsfeldern entstehen werden, bleibt ohnehin abzuwarten. Denn mit Wachstum ist es derzeit nicht weit her. Die Niedrigzinspolitik über einen unerwartet langen Zeitraum hat die Gewinne relativ stark schrumpfen lassen. Die Banken müssen derzeit sogar dafür zahlen, Geld zu parken.

Das Mittelstandgeschäft scheint da noch einer der rentablen Geschäftsbereiche zu sein. Die Commerzbank ist bei den Unternehmen in dieser Region immer noch der absolute Platzhirsch. Man spricht von über 95 Prozent plus x Marktdurchdringung. Es gibt also kaum ein mittelständisches Unternehmen zwischen Dortmund und dem Sauerland, das keine Geschäftsbeziehung mit den „Gelben“ hat. „Ich glaube, der Mittelstand wird der Gewinner der Digitalisierung sein“, gab Andre Carls, Commerzbank-Vorstand der Mittelstandsbank-West den Unternehmern eine klare Prognose und dazu noch einen Rat mit: „Seien Sie bereit zu hoher Transparenz und dazu, Fehler einmal zuzulassen – um sie nicht zweimal zu machen!“