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Das Ende der Ära WestLB – ein Nachruf

Das Ende der Ära WestLB – ein Nachruf

In der Nacht zu Sonntag wird die Westdeutsche Landesbank WestLB Geschichte sein. Die Zerschlagung, die die EU-Kommission angeordnet hat, tritt in Kraft. 43 Jahre lang war die WestLB Schaltzentrale der Industrie und Machtinstrument der Sozialdemokratie.

Düsseldorf. 

Es ist nicht ganz leicht, den Einsatz zu finden für einen Nachruf auf die altehrwürdige WestLB. Die wechselhafte Geschichte der einst größten deutschen Landesbank, sie geht nach 43 Jahren zu Ende. Es ist eine Geschichte über Macht, Intrigen und kolossale Fehleinschätzungen. Letztlich ist es auch eine Geschichte über Sozialdemokraten in NRW, die glaubten, sie seien die Bank, und die Bank sei die Schaltzentrale der Industrie im ganzen Land.

Wo also beginnen? Nehmen wir den 23. Juni 2003. An diesem Tag greift Hans-Joachim Selenz, der frühere Chef der Preussag-Stahl (heute Salzgitter), zum Telefon. Er habe soeben, ließ Selenz wissen, das dienstliche Telefonbuch von WestLB-Chef Friedel Neuber (SPD) mit Handy- und Privatnummern ins Netz gestellt. Das lohne doch mal einen Blick. Der lohnte in der Tat: Von Berthold Beitz über Gerhard Cromme bis zum damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau fanden sich alle, die Rang und Namen hatten in NRW.

Selenz befand sich damals schon einige Jahre auf Kriegspfad gegen Neuber. Der frühere Stahl-Chef sieht sich als Opfer einer Intrige, die ins Jahr 1997 zurückreicht. Damals habe Neuber, der mit der WestLB als Hauptgesellschafter über maßgeblichen Einfluss bei Preussag verfügte, versucht, die spätere Salzgitter-Stahl an die österreichische Voest Alpin zu verkaufen. Ausgerechnet im Wahlkampf des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD), der seine Kanzlerkandidatur an den Erfolg in Hannover geknüpft hatte. Eine Intrige aus NRW, um Schröder als Kanzlerkandidaten zu verhindern?

Der mächtige Friedel Neuber

Die Episode zeigt, wie weit der Einfluss der WestLB und des 2004 verstorbenen Neuber reichten. In den 1990-er Jahren war die WestLB unter Neuber, tituliert als „Pate vom Rhein“, auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Zu Spitzenzeiten arbeiteten 11 000 Menschen bei der Bank. Auf den Fluren der vierten Etage in der Düsseldorfer Herzogstraße drehten sie das große Rad, unten in der Kellerbar, umgeben von Eiche rustikal, machten sie bei Köpi und reichlichem Genuss von HB-Zigaretten Industriepolitik. Zur Skat-Runde im „Tresörchen“ gehörten Ministerpräsident Johannes Rau und Finanzminister Heinz Schleußer (beide SPD).

Ob bei der Preussag, aus der heute der Reisekonzern TUI unter Vorsitz des Neuber-Intimus Michael Frenzel geworden ist, ob bei dem Pleite gegangen und zerschlagenen Oberhausener Anlagenbauer Babcock Borsig, ob beim Kauf des Düsseldorfer Ferienfliegers LTU. Selbst vor Übernahme der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrtsgesellschaft schreckten die Macher am Rhein nicht zurück. In die Zeit von Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) fiel der Aufschluss des Braunkohletagebaus Garzweiler II – Neuber war Aufsichtsratschef bei RWE.

Vorstandschefs scheiterten

Der Niedergang der WestLB beginnt 2001. Im Frühjahr verliert Neuber seinen Kampf gegen die EU-Kommission. Die zwingt die WestLB zur Rückzahlung versteckter Landeshilfen in Milliardenhöhe und schafft die Staatshaftung für die Landesbanken ab, aus Gründen der Wettbewerbsfairness. Die WestLB und andere Landesbanken bekamen dank der staatlichen Garantien günstigere Zinsen als Privatbanken. Zum Verhängnis wurde dem Institut die eingeräumte Übergangsfrist bis 2015. Da so lange noch günstige Zinsen für WestLB-Anleihen garantiert waren, „hat sich die Bank vollgesogen mit Geld“, sagt ein früherer WestLB-Mann. Auf der anderen Seite fehlten aber die Kreditkunden. Die Bank hatte Milliarden, aber kein Geschäftsmodell.

Daraufhin übernahmen Londoner Investmentbanker die Macht. „Die haben Geschäfte gemacht, die keiner mehr verstanden hat. Die spielten Va banque“, so der Führungsmann. Ein Vorstandschef nach dem anderen scheiterte.

Die WestLB verlor 1,7 Milliarden Euro, als der britische Fernsehverleiher Boxclever pleite ging. Jürgen Sengera musste seinen Chefsessel räumen. Nachfolger Thomas Fischer wiederum scheiterte an Aktienspekulationen.

Absicherung kostet 18 Milliarden

Heute Nacht nun ist Schluss, die Bank wird auf Geheiß der EU-Kommission zerschlagen. 18 Milliarden Euro kostet die Absicherung der restlichen Geschäfte und verseuchten Risikopapiere.

Damit geht eine Zeit mit beispiellosem Einfluss einer Landesregierung auf die Wirtschaft zu Ende. Vorerst jedenfalls. Nicht wenige Industrieführer und Oppositionspolitiker fürchten, in Essen könnte die nächste Schaltzentrale für Industriepolitik entstehen: in der RAG-Stiftung, der die Mehrheit am Evonik-Konzern gehört. Geht es nach SPD und der Gewerkschaft IGBCE, soll hier Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller Einzug halten.