Siegen/Neunkirchen.
In Frankreich oder in der Schweiz wäre er womöglich ein nationaler Superstar. In Österreich vermutlich auch – wenn er Österreicher wäre. Aber Markus Podzimek (38) ist zurückgekehrt ins Siegerland. Hier will er einfach nur Konditormeister sein. „Ich bin da so reingerutscht“, sagt er. Wie jemand, bei dem sich Glück und Geschick sinnvoll ergänzt haben. Dass er gut ist in seinem Beruf, kaufmännisches Geschick hat und mit vielen neuen Ideen das etwas angestaubte Image des Gewerbes auffrischt, behaupten andere über ihn.
Wie der junge Brad Pitt
Podzimek, vom Typ her eher Kreativ-Direktor als Traditions-Handwerker und mit seinen langen blonden Haaren dem jungen Brad Pitt nicht unähnlich, hat mit seinen Eltern in den vergangenen zwölf Jahren aus der kleinen, eher ländlichen Konditorei Heimann in Neunkirchen ein florierendes Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten gemacht – als Handwerker, Betriebswirt, Produktentwickler und Marketingchef in einer Person. Mit einer eigenen Back-Sendung im WDR (dienstags 18.40 Uhr). Und junger Familienvater mit zwei kleinen Kindern ist er dazu. Zwölf Stunden Arbeit am Tag sind der Preis. Dafür ein freier Tag in der Woche und zehn Tage Urlaub im Jahr.
In Neunkirchen steht das Stammhaus, das den Eltern gehört und wo auch alle Leckereien selbst produziert werden. Es platzt aus allen Nähten, Lagermöglichkeiten sind begrenzt. Im Moment regiert das übliche Jahresend-Gewusel, genauer: das Weihnachts- und Präsentegeschäft – rund 8000 Kisten jeder Größenordnung gehen in den letzten drei Monaten eines Jahres an Privat- und Firmenkunden: Kuchen, Torten, Stollen, Pralinen, Schokolade aus eigener Herstellung. Jeder Raum, jeder Gang ist vollgestellt mit Verpackungsmaterial und Kisten voller Rohstoffe für die Produktion. In Wilnsdorf gibt es eine Filiale und in Siegen, am Bahnhof, das Naschwerk, ein Genießertempel auch für kleinere Brieftaschen, mit Restaurant, Cafe, Confiserie und, wie manche Leute sagen, der besten Eiscreme weit und breit. Hier ist Markus Podzimek Geschäftsführer.
„Ich kam im Jahr 2000 nach Jahren als Konditorgeselle in Deutschland, Frankreich und der Schweiz zurück ins Siegerland in den elterlichen Betrieb. Es ging um die Frage: Vergrößern wir uns, werden wir über das Siegerland hinaus bekannt oder nicht“, erzählt Podzimek. „Damals waren meine Eltern zu jung zum Aufhören, jetzt können sie es nicht mehr. Ich brauche sie“, gesteht er .
Die Entscheidung fiel für die Vergrößerung des Familienbetriebs. Markus Podzimek machte seinen Konditormeister und den Betriebswirt im Handwerk dazu. Dann ging alles ganz schnell, was das Bekanntwerden betrifft. Das kam so. „Der Patisserie-Oskar war der Durchbruch“, sagt Podzimek. Schon 2004 hatte er in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ ohne Vorbereitung an dem Wettbewerb in Wien teilgenommen und auf Anhieb den 3. Platz belegt. Im Jahr darauf wurde er Sieger – diesmal mit Vorbereitung. „Für die Österreicher war das eine Katastrophe“, schmunzelt der Konditor. „Ausgerechnet ein Piefke gewinnt in ihrer Hauptstadt den Patisserie-Oskar.“
Karamell, aber salzig
Als Kunden will Podzimek alle: Alt und Jung, jede Gehaltsgruppe. Dass das Konzept aufgegangen ist, kann man im Naschwerk erleben, das er 2006 unter kräftiger Mithilfe der örtlichen Sparkasse eröffnete. Kein „Plüsch-Ambiente, das uns die Ladenbau-Firma verkaufen wollte“, sondern „etwas Modernes, Zeitloses, nur nicht zu kühl.“ Bis zu 300 Mittagessen am Tag werden ausgegeben, 75 der insgesamt 105 Angestellten sind hier beschäftigt, davon allein vier Köche. Eine Goldgrube? „Es müsste mehr übrig bleiben“, sagt Podzimek mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. „Unsere Fertigung ist sehr personalintensiv.“ Aber immerhin hat sich der Umsatz in den letzten sieben Jahren verdreifacht – auf heute 3,5 Millionen Euro.
Das Weihnachtsgeschäft hat großen Anteil daran. Im Oktober fängt es an, erst Mitte Januar wird es wieder ruhiger, wegen der Ferien. „Wir fangen aber erst an zu backen, wenn Bestellungen vorliegen“, beteuert der Konditormeister. „Das machen nicht alle so.“ Und beim Kreieren neuer Geschmacksrichtungen regiert das Motto Versuch und Irrtum. „Neue Pralinen-Füllungen probieren wir zu Hause in der Küche aus“, erzählt Podzimek. Fleur du Sel, also leicht salzig, sei schwer im Kommen. Und bei den Eissorten Buttermilch mit Sanddorn und Mango-Chili. Oder Karamell mit Fleur du Sel – sein Lieblingseis.
Ideen hat Markus Podzimek viele. Aber wenig Platz; er denkt über eine Verlagerung der Produktion nach Siegen nach. Erst einmal müssen geeignete Räumlichkeiten gefunden werden. Eines soll aber auf jeden Fall erhalten bleiben: Der Charakter als Familienbetrieb. Denn, wenn Not am Mann ist, hilft sogar der Urgroßvater (85) aus. „Aber nicht mehr beim Backen, nur beim Aufräumen“, lacht Markus Podzimek.