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Evonik-Chef verteidigt Revier gegen „Partykönige aus Berlin“

Evonik-Chef verteidigt Revier gegen „Partykönige aus Berlin“

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Foto: Jakob Studnar
Evonik-Chef Klaus Engel schlägt für das Ruhrgebiet die Trommel. „Wir lassen uns weder von den Partykönigen aus Berlin noch von der Schickeria aus München kleinreden“, sagt der Manager. Künftig führt Engel ehrenamtlich auch den Initiativkreis Ruhr. Was er plant, sagt Engel im Interview.

Essen. 

Evonik-Chef Klaus Engel rückt am kommenden Samstag (12. Oktober) an die Spitze des Initiativkreises Ruhr (IR). Im Interview spricht Engel über den Jobabbau im Revier, Fehler der Energiepolitik und das neue Selbstvertrauen der Region.

„Es gibt Pfunde, mit denen wir wuchern können – etwa in Wirtschaft, Wissenschaft im Gesundheitswesen“, sagt Engel. Und: „Wir lassen uns weder von den Partykönigen aus Berlin noch von der Schickeria aus München kleinreden.“

Der Initiativkreis Ruhr ist ein Zusammenschluss von rund 70 führenden Unternehmen der Region. Geleitet wird der IR durch seine Moderatoren – jeweils für die Dauer von zwei Jahren. Evonik-Chef Engel und Signal-Iduna-Aufsichtsratschef Reinhold Schulte (Co-Moderator) lösen nun Bodo Hombach und Erich Staake ab.

Im kommenden Jahr besteht der Initiativkreis Ruhr (IR) seit 25 Jahren. Die Gründerväter trieb angesichts der Kohle- und Stahlkrise die Sorge um, das Revier könnte ein Landstrich ohne Zukunft werden. Müsste der Initiativkreis heute neu gegründet werden, gäbe es ihn noch nicht?

Klaus Engel: Das Armenhaus der Nation ist das Ruhrgebiet erwiesenermaßen nicht geworden und es waren Kohle und Stahl, die diese Region und ganz Deutschland zu allererst groß gemacht haben. Aber die Idee des Initiativkreises, wie ich sie verstehe, ist so aktuell wie vor 25 Jahren auch: Es geht um Zukunftsperspektiven und unseren gemeinsamen Wohlstand, um pragmatisches Zupacken und darum, die in der Region vorhandenen gesellschaftlichen Kräfte zu bündeln. Wir wollen die Region unterstützen – nicht etwa durch Jubelveranstaltungen, sondern durch innovative Ideen und unternehmerische Taten.

Bei Thyssen-Krupp, Opel, RWE, Eon oder Evonik stehen insgesamt Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Engel: Ich verstehe sehr gut, dass sich viele Menschen Sorgen machen. Doch es geht darum, dass die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit im zunehmenden globalen Konkurrenzkampf verteidigen. Für Evonik steht dabei fest: Wir werden den notwendigen Stellenabbau in den konzernweiten Verwaltungs- und Serviceeinheiten in engem Einvernehmen mit der Mitbestimmung sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen gestalten.

Diese geübte Sozialpartnerschaft war immer auch eine Stärke hier in der Region.

Das Ruhrgebiet ist der Verlierer der Energiewende?

Engel: Es ist schon eine besonders bittere Ironie, dass unsere Industrie die deutsche Volkswirtschaft über die Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre gerettet hat. Dafür werden wir nun mit einer bislang völlig gescheiterten, sogenannten Energiewende mit erheblichen Zusatzkosten belegt. Das trifft in der Tat unsere Region besonders hart. Denn nirgends sonst in Deutschland wird soviel Strom erzeugt und verbraucht wie bei uns.

Genauer bitte.

Engel: Es ist absolut kurzsichtig und töricht, die energieintensiven Industrien und die privaten Verbraucher gegeneinander auszuspielen. Die Politik setzt mittlerweile die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen aufs Spiel. Die Kosten für die Gesellschaft insgesamt werden so um ein Vielfaches höher ausfallen als die derzeitigen Entlastungen einiger Betriebe bei der EEG-Umlage.

Denn in den Ländern, mit denen wir konkurrieren, gibt es die Belastungen aus der Energiewende nicht. Unsere politische Führung muss endlich damit aufhören, einer meinungsstarken Öko-Schickeria gefallen zu wollen. Wir brauchen jetzt rasch eine handlungsfähige Bundesregierung. Die muss die Energiewende radikal reformieren, bevor die EU in Brüssel uns das Heft aus der Hand nimmt.

Finden NRW und das Ruhrgebiet genügend Gehör im politischen Berlin?

Engel: Ich würde mir schon wünschen, dass die Interessen von NRW im Bund noch stärker berücksichtigt werden. Wir sind keineswegs die Bittsteller der Republik, aber immerhin der größte industrielle Ballungsraum Europas. Warum sollte beispielsweise ein künftiger Bundesverkehrsminister nicht aus unserem bevölkerungsreichsten Bundesland kommen?

Warum soll eigentlich dieses Ministerium der Erbhof Bayerns oder der neuen Bundesländer sein? Immerhin hat die CDU aus NRW mehr Sitze im Bundestag als die gesamte CSU-Fraktion. Und mit Armin Laschet kommt immerhin ein stellvertretender Parteivorsitzender der CDU aus NRW, der sich hinter Herrn Seehofer gewiss nicht zu verstecken braucht.

Wie will der Initiativkreis das Ruhrgebiet nach vorne bringen?

Engel: Wir wollen drei Themen in den Vordergrund stellen: Energie, Innovation und Bildung. Bereits jetzt gibt es zahlreiche Aktivitäten des IR auf diesen Gebieten. Ich denke an die Internationale Schule Ruhr, das Klimaschutz- und Stadtumbau-Projekt Innovation City in Bottrop oder das Programm Talentmetropole Ruhr, mit dem wir junge Spitzenleute in der Region fördern wollen.

Sie haben sicherlich auch neue Ideen.

Engel: Ich könnte mir vorstellen, dass wir zum Beispiel einen Energiepfad aufbauen ähnlich der Route der Industriekultur. Damit sollen die Vorzeigeprojekte in Sachen Energiewende anschaulich gemacht werden, als Energiewende zum Anfassen für die Bürger. Ebenso werden wir uns zusammen mit der Landesregierung bei der Leistungsschau Klima-Expo einbringen.

Die Energiewende wird ein Hauptthema Ihrer Moderatorenzeit?

Engel: Ja. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir das Thema breiten Bevölkerungsschichten verständlicher machen, dazu gehört auch der Aspekt Energiegerechtigkeit. Es kann doch nicht sein, dass Mieter im Ruhrgebiet zu Gunsten der Eigenheimbesitzer mit Solardächern aus anderen Bundesländern draufzahlen.

Und die weiteren Projekte?

Engel: Wir müssen auch daran arbeiten, die Gründerkultur zu beleben. Wir sind eine Region mit über fünf Millionen Menschen. Kapital ist vorhanden, wir haben große Unternehmen und einen soliden Mittelstand. Ein Abklatsch von Silicon Valley wollen und werden wir nicht sein, aber gefragt ist eine lebendigere Gründer-Kultur im Ruhrgebiet. Unser Ziel ist es, den NRW-Gründerkongress, der zuletzt in Düsseldorf stattfand, ins Revier holen. Das wäre ein starkes Signal.

Mit einem Kongress wird es nicht getan sein.

Engel: Ich kann mir gut vorstellen, dass der Initiativkreis Patenschaften für Existenzgründer organisiert. Wir haben jede Menge tüchtige Unternehmen, die helfen können. Es gibt immer eine Möglichkeit, zukunftsweisende Ideen zu fördern und Erfindergeist zu unterstützen.

Auch als Mittel gegen das Imageproblem?

Engel: Das Ruhrgebiet ist zu Recht viel selbstbewusster geworden. Wir haben auch allen Grund dazu. Es gibt Pfunde, mit denen wir wuchern können – etwa in Wirtschaft, Wissenschaft im Gesundheitswesen. Aus aller Welt kommen heute kranke Menschen, um sich in Kliniken im Revier behandeln zu lassen. Und im Fußball haben wir mit Borussia Dortmund und auch mit Schalke zwei Clubs in der Europäischen Champions League. Wir lassen uns weder von den Partykönigen aus Berlin noch von der Schickeria aus München kleinreden.

Der Initiativkreis kämpft mit dem Ruf, eine elitäre Veranstaltung zu sein.

Engel: Das wollen wir ausdrücklich nicht sein. Wir sind keine elitäre Clique, die sich nur bei Sektempfängen trifft. Wir wollen zuhören – und zupacken. Ein Beispiel: Künftig werden wir mit Hilfe des Meinungsforschungsinstituts Forsa in monatlichen Befragungen herausfinden, was die Menschen an Rhein und Ruhr im Alltag bewegt. Wo drückt der Schuh? Wo können wir besser werden? Die Ergebnisse dieses „Ruhr-Barometers“ gehören mit zur Basis unseres Handelns.

Die Ruhrbarone werden bodenständig?

Engel: Was heißt hier Ruhrbarone? Das ist doch längst überholte Folklore, die leider noch zu oft bemüht wird. Daran müssen wir arbeiten. Es gibt viele tüchtige Leute und Mittelständler in Westfalen und im Sauerland, die dürfen wir mit solchen Zerrbildern nicht abschrecken. Südwestfalen beispielsweise mit seiner starken mittelständischen Industrie und der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet sind mehr denn je aufeinander angewiesen. In einer stärkeren Vernetzung liegt eine große Chance.

Das Ruhrgebiet will sich als Wissensregion profilieren. Sollten die Hochschulen nicht bei Ihnen mitmachen?

Engel: Ganz klar: Ja. Eine noch stärkere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft bietet gerade für das Ruhrgebiet große Potenziale. Deshalb wird demnächst auch eine der besten Adressen Europas im Gesundheitsbereich bei uns aufgenommen, nämlich das Universitätsklinikum in Essen.