Geplante neue Stromtrassen fallen deutlich teurer aus
Erdkabel kosten bis zu neun Milliarden Euro mehr. Zahlen müssen Verbraucher und Unternehmen – aber es sei billiger, als nichts zu tun.
Berlin.
Zwischen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sowie Bayern beginnt jetzt die öffentliche Planung für zwei große, neue Stromtrassen. Dabei sollen kaum Masten gebaut, sondern zum ersten Mal überwiegend Starkstromkabel in der Erde verlegt werden.
Nach Bürgerprotesten drang Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf diese Lösung. Sie bringt steigende Stromkosten für die Privathaushalte und Unternehmen mit sich.
Von der Nordsee bis nach Baden-Württemberg
Die Firmen Tennet, 50Hertz und TransnetBW, die Teile des deutschen Höchstspannungsnetzes betreiben, haben die Planungsunterlagen zu Beginn dieser Woche an die Politiker und Verwaltungen entlang der künftigen Kabelstrecken geschickt.
Der Korridor der sogenannten Südlink-Leitung verläuft von Brunsbüttel an der Nordsee vorbei an Hannover, Göttingen, Kassel, Fulda und Würzburg bis ins baden-württembergische Großgartach nahe Heilbronn. „Südostlink“ erstreckt sich von Magdeburg an Leipzig, Gera, Bayreuth und Regensburg vorbei bis nach Landshut in Bayern.
Der vorgeschlagene Verlauf ist bislang noch recht unpräzise. Der Korridor hat eine Breite von mitunter 20 oder mehr Kilometern. Erst in späteren Planungsschritten wird festgelegt, wo die Kabel genau vergraben werden. Die Leitungen sind unter anderem nötig, um den Strom aus den Windkraftwerken im Norden zu den Industriegebieten in Bayern und Baden-Württemberg zu transportieren.
Nach Potesten gegen Masten wird jetzt unterirdisch verlegt
Ursprünglich waren hängende Höchstspannungsleitungen an teilweise riesigen Masten geplant. Manche hätten eine Höhe von 70 Metern erreicht, was der Größe von Hochhäusern mit 16 Stockwerken entspricht. Nach heftigen Bürgerprotesten und politischen Turbulenzen entstand schließlich ein Gesetz, das Erdkabeln den Vorzug vor Überlandleitungen gibt.
Die Erdkabel sieht man später kaum, dafür sind sie deutlich teurer als Überlandleitungen. Die Kabel in Gräben zu legen und zahlreiche unterirdische Bauwerke für die Wartungsarbeiten zu errichten, ist viel aufwendiger, als die Leitungen an Masten zu hängen. Allein der Südlink wird gut vier Milliarden Euro teurer werden, heißt es bei Tennet – statt drei vermutlich über sieben Milliarden Euro.
Die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde rechnet damit, dass die Zusatzkosten für Erdkabel bundesweit etwa neun Milliarden Euro betragen. Die neuen Leitungen kosten dann nicht 20, sondern 29 Milliarden Euro.
Auch die Ökostromumlage verteuert die Rechnungen
Allerdings muss man die Kosten auf eine Nutzungsdauer von 40 Jahren umrechnen, wodurch die Zusatzinvestitionen für Erdkabel mit etwa 200 Millionen Euro pro Jahr zu Buche schlagen. Diese Summen dürfen die Netzbetreiber auf die Stromrechnungen der Verbraucher umlegen.
Für Privathaushalte und Firmen fallen die Mehrkosten relativ wenig ins Gewicht. Sie bewegen sich in der Größenordnung von 0,1 bis 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Für einen Durchschnittshaushalt bedeutet dies Zusatzkosten durch Erdkabel im Vergleich zu Überlandleitungen in einer Größenordnung von vier Euro im Jahr.
Leitungsbau soll Netze stabilisieren
Allerdings ist dies nicht die einzige Erhöhung der Strompreise, die auf die Kunden zukommt. Beispielsweise steigt auch die Ökoumlage, mit der die Wind-, Solar- und Biomasse-Kraftwerke gefördert werden.
Die neuen Nord-Süd-Leitungen zu bauen, selbst in der Erdkabelvariante, sei billiger, als nichts zu tun, heißt es bei der Netzagentur. Wenn man auf den Leitungsbau verzichte, müssten ständig Kraftwerke ab- und zugeschaltet werden, um die Netze zu stabilisieren. Das verschlinge eine Milliarde Euro pro Jahr – mit steigender Tendenz. Diese Stabilisierungskosten entstehen, wenn die zunehmende Menge Windstrom aus dem Norden nicht effektiv zu den Verbrauchern im Süden geleitet wird.
Neue Leitungen sollen 2025 in Betrieb gehen
In den nächsten Monaten finden zahlreiche Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung entlang der Leitungsstrecken statt. Das Raumordnungsverfahren beginnt schätzungsweise im nächsten Frühjahr – inklusive der formellen Bürgerbeteiligung. Die Korridore sind dann schon präziser definiert.
Daran schließt sich das Planfeststellungsverfahren an, das den exakten Verlauf der Kabel festlegt. In Betrieb gehen sollen die beiden neuen Leitungen 2025.