Nach der Milliardenspritze aus Berlin fordern die Revier-Kammern eine rasche Umsetzung der Straßenbauprojekte. Ihnen dauern die Genehmigungsverfahren zu lange.
Gelsenkirchen.
14 Milliarden Euro will der Bund bis zum Jahr 2030 ins zum Teil marode Straßen-, Schienen- und Brückennetz Nordrhein-Westfalens pumpen. Die Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets machen nun aber Druck, dass die Infrastrukturprojekte auch wirklich zeitnah umgesetzt werden können.
„Wenn Geld fließt, ist das immer gut. Wir müssen aber auch die Planungskapazität für die Projekte vorhalten“, mahnt Karl-Friedrich Schulte-Uebbing, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen. Den Zeigefinger erhebt der Kammer-Manager nicht von ungefähr: Seit 2013 musste NRW rund 42 Millionen Euro an den Bund zurückgeben, weil die Planungen für Straßen und Brücken nicht weit genug gediehen waren.
43 Prozent gehen in den Export
Das soll sich aus Sicht der Wirtschaft nun angesichts der neuen Finanzspritze nicht wiederholen. „Wir müssen es gut umsetzen. Die Verfahren dauern zu lange“, meint Schulte-Uebbing. „Für die Wirtschaft ist es existenziell, dass wir nicht dauernd im Stau stehen.“ Nach aktuellen Zahlen gehen 43 Prozent der Produkte, die im Ruhrgebiet produziert werden, in den Export. „Die Unternehmen würden also direkt davon profitieren, wenn Brücken und Straßen schneller gebaut werden“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Die Kammern nehmen NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) beim Wort. Er hat zügige Planungsverfahren in Aussicht gestellt.
Bei der von ihr seit vielen Jahren geforderten Verbesserung der Infrastruktur sieht die Ruhrwirtschaft also allmählich Licht am Ende des Tunnels. Ihr zweites großes Zukunftsthema spitzt sich dagegen immer weiter zu: der Fachkräftemangel. „Der ungedeckte Bedarf an Fachkräften ist auch für die Ruhrwirtschaft ein Handicap“, sagt Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen, unter deren Federführung der 97. Konjunkturbericht für das Ruhrgebiet entstanden ist.
Klage über Fachkräftemangel
An der Herbstumfrage beteiligten sich rund 980 Unternehmen mit 138 000 Beschäftigten. Aus ihren Antworten ging nach Angaben Baumgürtels hervor, dass der „Fachkräftemangel erstmals auf Platz drei der Geschäftsrisiken landete. Obwohl im Ruhrgebiet zuletzt 28 000 neue Stellen entstanden seien, sei der Arbeitsmarkt inzwischen so „angespannt“, dass fast ein Drittel der hiesigen Firmen angibt, ihre offenen Stellen auch längerfristig nicht besetzen zu können. Noch vor drei Jahren, so der IHK-Vizepräsident, habe die Zahl bei nur 16 Prozent gelegen. „Besonders Dienstleistungsunternehmen tun sich schwer mit dem Finden geeigneter Fachleute“, erklärt Baumgürtel.
Die Herbstumfrage ergab, dass 42 Prozent der Revierfirmen Arbeitskräfte mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss suchen, 41 Prozent mit dualer Berufsausbildung und 38 Prozent mit dem Abschluss Fachwirt oder Meister. Hoch im Kurs sind demnach wieder Fachkräfte, die eine klassische Lehre absolviert haben.
Kammern setzen auf duale Ausbildung
Baumgürtel, im Hauptberuf Geschäftsführender Gesellschafter der Verzinkerei Voigt & Schweitzer in Gelsenkirchen, hat selbst seine Erfahrungen gesammelt. „Wir haben viele altersbedingte Abgänge. Man kann die Leute ja nicht auffordern, bis zum 80. Lebensjahr zu arbeiten“, sagt der Unternehmer. Vor Jahren hat er deshalb die gewerbliche Ausbildung zum „Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik mit Schwerpunkt Feuerverzinken“ eingeführt, um Nachwuchs zu finden.
In anderen Branchen werden ältere Arbeitnehmer als Zerspanungsmechaniker umgeschult. Ein Beruf, der schon einmal als ausgestorben galt. „Wir stehen in Konkurrenz mit den Hochschulen. Studenten stehen unseren Unternehmen aber nicht zur Verfügung“, meint IHK-Hauptgeschäftsführer Schulte-Uebbing. Die Kammern propagieren deshalb die duale Ausbildung: an der Uni und im Betrieb.