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Der RWE-Forschungschef Drake glaubt, dass die Deutschen sich beim Klimaschutz geschickter anstellen könnten. „Warum versuchen wir mit Photovoltaik die Welt zu retten, obwohl hier kaum die Sonne scheint?“
Mindestens bis zum Jahr 2036 soll die Atomkraft Strom liefern und die Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien sein. So steht es im Energiekonzept der Bundesregierung. Doch wo beginnt diese Brücke, wo hört sie auf? Für die Strategen der Stromwirtschaft sind längst nicht alle Fragen beantwortet. Im Gegenteil: „Wir machen das Falsche, denn wir investieren eben nicht in die effizientesten Energien“, sagt Frank-Detlef Drake, Forschungsvorstand des Energiekonzerns RWE.
Falsches gefördert
„Warum versuchen wir in Deutschland, mit der Photovoltaik die Welt zu retten, obwohl hier kaum die Sonne scheint?“, fragt Drake (47) im Gespräch mit dieser Zeitung. Ökonomie und Ökologie, das gehöre zusammen. Fehlgeleitete Subventionen aber könne sich Deutschland nicht leisten: „In Europa können wir in großen Mengen Kohlendioxid für einen Preis von 15 Euro je Tonne vermeiden. Wir aber investieren in Photovoltaik, zu einem Preis von 500 Euro pro eingesparte Tonne CO22.“ Dem Klima bleibe das CO2 2 letztlich dennoch nicht erspart: Die ungenutzten CO2 2-Verschmutzungsrechte würden von Firmen in Europa aufgekauft.
An Klimaschutz und Energiesparen gehe kein Weg vorbei, sagt Drake mit Blick auf Regierungspläne zur energetischen Sanierung von Gebäuden. „Doch es kostet ein irrsinniges Geld, wenn wir das Tempo verdoppeln wollen.“ Je nach Maßnahme könnten hier die CO22-Vermeidungskosten bis zu 1000 Euro je Tonne betragen. Bei einer Sanierungspflicht wäre das unbezahlbar, sagt Drake. Seine Rechnung: „Wenn ich ein Einfamilienhaus komplett energetisch saniere, kostet das über 60 000 Euro. Bei einem Darlehen der Staatsbank KfW, einem günstigen Zins von zwei Prozent, bin ich bei 1200 Euro Zinsdienst im Jahr. Gleichzeitig spare ich nur 300 Euro an Energiekosten ein. Das rechnet sich nie. Die Leute machen sich etwas vor.“
„Wir müssen den Strom CO2-frei machen“
Auf Dauer könne es der bessere Weg sein, nicht alle Gebäude auf einen Passivhaus-Standard zu trimmen, glaubt Drake. Sein Vorschlag: „Wir müssen den Strom CO22-frei machen. Das kostet ein Zehntel der Summe, die nötig ist, um den kompletten Gebäudebestand in Deutschland energetisch zu sanieren. Dann könnten wir Gebäude wieder mit Strom beheizen, zum Beispiel mit einer Wärmepumpe, die Erdwärme nutzt.“ Windstrom könne die Warmwasserbereitung übernehmen.
Aus RWE-Sicht sollte der Übergang zu den erneuerbaren Energien moderat sein und sich europaweit vollziehen. Drake nennt es die „lange Brücke“. „Das Ziel für Europa bis 2050 sollte ein Mix sein aus einem sukzessiven Ausbau erneuerbarer Energien auf einen Anteil bis 50 Prozent“, so Drake. Dazu zählt er Atomkraft, Kohle mit CCS-Technologie (CO22-Abscheidung und -Speicherung) und Gaskraftwerke. Dies sei der günstigste Weg. „Aber selbst diese lange Brücke ist zehn bis 20 Prozent teurer im Vergleich zur heutigen Stromversorgung.“
Unbezahlbar ist für ihn eine „kurze Brücke“: „Wenn wir in Deutschland versuchen, mit einer radikalen Änderung und nur mit erneuerbaren Energien die Ziele zu erreichen, würden die Kosten um knapp 100 Prozent höher liegen.“
Zunehmende Proteste
Scheitern werde das jedoch letztlich an den Bürgerprotesten. Nicht Kernenergie bremse die erneuerbaren Energien. „Das einzige, was blockiert, ist der fehlende Netzausbau und die zunehmenden Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung.“ Hunderttausende Windkraftanlagen, Millionen Solaranlagen und tausende Kilometer neue Leitungen müssten an den jeweils optimalen Standorten gebaut werden. „Doch wir stecken in einem echten Dilemma“, sagt Drake. „Es gibt ewig lange Genehmigungszeiten, die Proteste gegen neue Hochspannungstrassen nehmen zu. Wenn wir aber die Leitungen unter die Erde verlegen, dann ist das bis zu acht Mal teurer.“
Der RWE-Forschungschef verweist auf eine Studie der Deutschen Energie-Agentur. Danach sind bis 2015 über 800 Kilometer neue Leitungen notwendig. Bislang wurden erst weniger als hundert Kilometer gebaut. Auch im Ausland stockt der Ausbau, so Drake. Seit 20 Jahren werde versucht, auf der Stromtrasse zwischen Frankreich und Spanien, die durch die Pyrenäen führt, die Kapazität von ein auf zwei Gigawatt zu erhöhen. Eine zusätzliche Leitung aber sei bisher nicht genehmigt worden. Die wahre Größe des Problems beschreibt Drake so: „Wir brauchen nicht zwei Gigawatt, wir brauchen 40.“