Essen.
Kurz vor der entscheidenden Sitzung zum Steag-Verkauf an einen westdeutschen Stadtwerke-Verbund hat der Essener RWE-Konzern Strombezugsverträge mit dem Energieerzeuger Steag gekündigt.
Nach Informationen von DerWesten beschloss der RWE-Vorstand kurz vor Weihnachten, alle aktuell zur Verlängerung anstehenden Verträge zu beenden. Weder RWE noch das Stadtwerke-Konsortium wollten den Vorgang kommentieren.
Nur so viel wurde klar: Die Stadtwerke wollen den RWE-Schritt nicht als Rückschlag sehen. „Wir sind durchaus willens und in der Lage, die Steag-Kapazitäten selbst an den Markt zu bringen“, sagte ein Sprecher. Ob dies gewinnbringend möglich ist, wird in der Branche von etlichen Händlern bezweifelt – freilich hinter vorgehaltener Hand.
Kuratorium der RAG-Stiftung entscheidet
Bereits am kommenden Freitag entscheidet das zum Großteil politisch besetzte Kuratorium der RAG-Stiftung, die die Mehrheit an der Steag-Mutter Evonik besitzt, über den Verkauf von 51 Prozent an der Steag. Als Käufer stehen die kommunalen Betriebe bereit. Gleichzeitig müssen die Stadtwerke auch eine Kaufverpflichtung für die restlichen 49 Prozent unterschreiben. Dazu müssen sie bis Ende Februar die Zustimmung ihrer kommunalen Gremien holen. Andernfalls ist Evonik berechtigt, den Kaufvertrag auf Kosten der Gemeindebetriebe rückabzuwickeln, wie aus Papieren hervorgeht.
Den Kaufpreis in Höhe von rund 580 Millionen Euro für die fehlenden 49 Prozent müssen die Stadtwerke allerdings erst in fünf Jahren bezahlen. Bis dahin wird die Summe jedes Jahr mit bis zu sieben Prozent verzinst. Diese Zinsen müssen ebenfalls die Stadtwerke an Evonik bezahlen. Es ist offen, ob die Gemeinden die Anteile behalten. Bislang haben die Städte gesagt, sie würden weitere kommunale Partner oder einen strategischen Investor suchen. Unter anderem hatte der Entsorger Remondis Interesse gezeigt.
Ein gefährlicher Deal
Auch wenn die Stadtwerke immer wieder das begrenzte Risiko des Geschäfts beteuern – es bleibt ein gefährlicher Deal. Obwohl die Kommunen nach entsprechender Berichterstattung unserer Zeitung auf kalkulierte Risiken verwiesen, ist nun in aktuellen Aufsichtsratspapieren von „negativen Auswirkungen“ aus dem erwarteten Rückgang des Steag-Gewinns die Rede.
Da RWE gleichzeitig aus festen Abnahmeverträgen aussteigt, kann der Strom nur frei verkauft werden. Hier wird der Markt allerdings schwieriger, weil immer mehr Kapazitäten in den Markt drängen. Besonders schwer haben es da alte Kohlekraftwerke, die in Zukunft Verschmutzungsrechte für den Ausstoß von CO2 kaufen müssen. Vor allem die Altanlagen der Steag im Ruhrgebiet drohen aus diesem Grund unrentabel zu werden. In ihren internen Planungen geht die Steag bereits jetzt von einem drastischen Gewinnrückgang aus. Um auch bei hohen Erzeugungspreisen Strom absetzen zu können, könnten die Stadtwerke deshalb versucht sein, den Steag-Strom an sich selber zu verkaufen. In diesem Fall müssten die Stadtwerkekunden mit höheren Preisen den Steag-Kauf finanzieren.
Überraschungen werden in der Kuratoriumssitzung am Freitag nicht erwartet. Sowohl die beteiligten Gewerkschaften als auch die Politiker wollten dem Verkauf an die Kommunen zustimmen. RAG-Konzernbetriebsratschef Ludwig Ladzinski sagte, er unterstütze den Deal – aber nur, wenn die Einnahmen in Evonik blieben. Alleine die im Bieterwettkampf unterlegene tschechische EPH könnte Ärger machen. EPH prüft kartellrechtliche Schritte.