Das Geschäft an der Haustür läuft nicht mehr so gut, auch weil es an Vertreter-Nachwuchs fehlt. Jetzt baut das Wuppertaler Familienunternehmen Vorwerk seinen Vertrieb um. Man setzt nun auf ‘warme Akquise’ – und plant sogar Läden in den Innenstädten.
Essen/Wuppertal.
Wenn Vorwerk-Vertreter an der Haustür stehen, heißt ihr erster Satz meist “Nichts Schlimmes!“ Damit ihr Gegenüber keinen Schreck bekommt. Doch in den vergangenen Jahren öffneten sich die Haus- und Wohnungstüren immer seltener für die Handelsvertreter des Wuppertaler Familienunternehmens Vorwerk-Kobold. Das verkauft seine Staubsauger seit gut 80 Jahren ausschließlich an der Haustür und gilt als deutsche Pionier dieser Vertriebsform. Nun wird das Konzept umgekrempelt und erweitert.
Der Höhepunkt steht im Spätsommer in Hamburg an: In einem 400 Quadratmeter großen Geschäft am Gänsemarkt, im teuren Herzen der Hansestadt, will Vorwerk seine Produkte erstmals in einem „Flagship-Store“ präsentieren. Neben Haushaltsgeräten ist der Wuppertaler Familienkonzern auch mit Teppichen, Küchengeräten, Kosmetik und Finanzdienstleistungen auf dem Markt (siehe Stichwort). „Wir hatten auch überlegt, ein Geschäft auf der Düsseldorfer Königsallee zu öffnen“, berichtet Vertriebs-Vorstand Tobias Mehrer im Gespräch mit DerWesten. „Aber dort haben wir keine geeignete Fläche gefunden“.
Insgesamt 75 weitere Geschäfte plant Vorwerk bundesweit – und will dazu seine bisherigen „Service-Center“ zu repräsentativen „Vorwerk zuhause Shops“ umbauen. Auch, weil die Vertreter Mühe haben, die Menschen zuhause tagsüber überhaupt anzutreffen. „Die Lebens-Gewohnheiten haben sich verändert“, sagt Tobias Mehrer. Wo nötig, will Vorwerk deshalb mit seinen künftigen Repräsentanzen weiter in die Innenstädte rücken und neue Orte erschließen. In der Dortmunder City etwa soll es noch in diesem Jahr einen ersten Vorwerk-Shop geben.
Standardfarbe Beige-Grün
Lag der Umsatz von Vorwerk-Kobold vor zehn Jahren bei 250 Millionen Euro, waren es zuletzt um die 200 Millionen Euro. Lange vorbei sind die Zeiten, als jeder zweite Haushalt in Deutschland mit einem hierzulande produzierten „Kobold“ – Firmen-Standardfarbe: Beige-Grün – Böden und Teppiche bearbeitet hat. Heute heißen die meist vertreiteten Geräte „Dirt Devil“, stammen aus Kaufhausketten und sind Made in China.
„Wir haben verpasst uns als Marke zu verjüngen“, gesteht Vertriebs-Vorstand Tobias Mehrer ein. Wenn der Vorwerk-Vertreter künftig an der Tür klingelt, soll er eine Palette von Produkten für Haushalt- und Raumpflege bieten. Und am besten hat man ihn dann zu sich bestellt. Auch soll der Vertreter künftig mehr vorführen, als die bisher einzigen Saug-Modelle „Kobold“ und „Tiger“, sagt Tobias Mehrer: „Wir haben bald einen Staubsauger-Roboter und einen Krümelstaubsauger im Programm“. Im Mai will Vorwerk zudem „eine Weltneuheit“ präsentieren: „Fenster mit dem Staubsauger reinigen“.
Netzwerken statt Kalt-Akquise
Der Vertreter bleibt, doch sein Job wird sich ändern, weg von der „Kalt-Akquise“. Früher gingen die Vertreter von Tür zu Tür, Hauptziel: Verkaufen: „Das passt nicht mehr“, sagt Tobias Mehrer, der seit drei Jahren im Unternehmen ist. Vertreter haben seit diesem Jahr ein „Festgebiet“. Im Durchschnitt heißt das laut Mehrer: Jeder „Kundenberater“ hat einen festen Stamm von durchschnittlich 6000 Haushalten, die er regelmäßig besuchen soll, um zu netzwerken. Das soll den Handelsvertretern mehr und feste Einnahmen garantieren.
Das ist wohl auch nötig. 2500 Vertreter sind für Vorwerk derzeit bundesweit unterwegs. Anfang der 1990er Jahre waren es mehr als 5000. „Da wollen wir wieder hin“, sagt Mehrer. „Bei 40 Millionen Haushalten bundesweit ist für uns noch Platz“, glaubt er. Auch in Zeiten wachsenden Internet-Geschäfts.
Der Vertreter hat Zukunft
Unter Einzelhandelsexperten zählt der Vorwerk-Vertreter längst nicht zum ‘alten Eisen’. „Das ist ein geschicktes Vertriebssystem, das auch Zukunft hat“, meint Adrian Hotz vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). So hat Vorwerk jetzt auch einen zeitgemäßen Onlineauftritt. Doch die eigenen Staubsauger kann man weiterhin nur bei den Kundenberatern beziehen. „Damit entzieht man sich auch dem Preisvergleich“, sagt Hotz. Ein Vorwerk-Sauger kostet mindestens 500 Euro, ohne Zubehör – fernab von Schnäppchen-Regionen.
Laut der jüngsten IFH-Studie wächst im Einzelhandel die Zahl der Kunden, die via Smartphone-App noch im Ladenlokal Preise vergleichen. Vorwerk will seine Produkte nach wie vor nicht über den Preis verkaufen, sondern über Produktqualität und fördert nun auch das Prinzip der Kunden-Empfehlungen. „Unsere Stornorate ist deutlich gesunken“, sagt Tobias Mehrer. Bei der Kalt-Akquise hätten etwa zehn Prozent der Kunden ein Geschäft kurz nach Vertragsunterzeichnung rückgängig gemacht. „Jetzt sind es nur noch fünf Prozent“. Weil der Vertreter vor der Tür kein Fremder mehr ist.
Vorwerk will auf Frauen als Verkäufer setzen
Auch bei der Nachwuchs-Suche richtet man sich neu aus. Vorwerk will jetzt Frauen gewinnen für Teilzeittätigkeiten als Berater. Kein wirklich neuer Schritt in der Branche: Von bundesweit etwa 160.000 Handelsvertretern sind 92 Prozent Frauen und davon 90 Prozent in Teilzeit tätig, heißt es dazu beim Bundesverband Direktvertrieb in Berlin.
Besonders junge Familienmütter hat man bei Vorwerk im Blick, deren Kinder jetzt zur Schule gehen. „Frauen sind im Beziehungsgeschäft einfach sehr erfolgreich“, meint Tobias Mehrer. Das Wuppertaler Unternehmen will sich freilich auch die Tür zur Zielgruppe der Familien aufschließen. Für die hatte der klassische Vorwerkverkäufer – bisher überwiegend männlich – bis dato meist einen Spruch als Türöffner parat: „Thema gesundes Wohnen bei Vorwerk“.