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Wie der frühere Kohle-Chef Beermann die Energiewende sieht

Wie der frühere Kohle-Chef Beermann die Energiewende sieht

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Foto: Volker Hartmann
Der frühere Chef der Steinkohle, Wilhelm Beermann, nennt den Abschied von den Zechen politisch unvermeidbar. Dennoch sei der Beschluss ein Fehler.

Herne. 

Als Wilhelm Beermann seine Arbeit begann, gab es noch fast 200 Zechen in Deutschland – mittlerweile sind es nur noch zwei. Den einschneidenden Strukturwandel hat kaum ein anderer Manager so lange begleitet wie Beermann. Der Mann aus Wattenscheid, der am 30. Januar 80 Jahre alt wird, war erster Vorstandsvorsitzender der Deutschen Steinkohle AG in Herne und damit oberster Chef des Steinkohlenbergbaus bundesweit.

Herr Beermann, wie wehmütig stimmt Sie das Ende der Steinkohleförderung in Deutschland?

Beermann: Natürlich betrachte ich es mit einer gewissen Wehmut, wenn die Zechen schließen. Aber ich bin stolz darauf, dass der schwierige Prozess sozialverträglich organisiert wurde und wird. Kein Kumpel fällt ins Bergfreie. Dieser Satz gilt.

Wann war Ihnen klar, dass die Zechen hierzulande keine Zukunft mehr haben?

Beermann: Es hat nicht den einen Moment gegeben, sondern viele Augenblicke. Ich habe mein Berufsleben 1951 im Bergbau begonnen. Schon Ende der 50er-Jahre gab es die ersten Anzeichen, dass es nicht mehr nur aufwärts geht bei der Kohle. Es kam zu ersten Stilllegungen und Personalabbau. Gewissermaßen ging es Zeit meines Berufslebens darum, die Anpassungen und den Strukturwandel zu begleiten.

Anfang 2007 hat die Politik den Ausstieg aus der Steinkohleförderung beschlossen – mit einer Perspektive bis Ende 2018. Hat das Land zu lange an der Kohle festgehalten?

Beermann: Nein. Ich sehe die Entscheidung, auf die heimische Steinkohle zu verzichten, mit gemischten Gefühlen. Politisch mag der Ausstieg unvermeidbar gewesen sein, persönlich halte ich ihn für falsch. Unvermeidbar war der Schritt, weil es keine politischen Mehrheiten mehr für die Kohle gab. Falsch bleibt der Beschluss, weil auch in den kommenden Jahren ein beachtlicher Teil der Stromerzeugung auf fossiler Basis erfolgen wird. Wir machen uns also über viele Jahre lang abhängig von Importkohle – zum Beispiel aus Kolumbien, Russland und Südafrika. Dadurch wird unsere Klimabilanz nicht besser.

Aber auch die deutsche Kohle schadet dem Klima. Und wettbewerbsfähig ist die deutsche Steinkohle schon lange nicht mehr. Die Folge waren Subventionen.

Beermann: Heute sind auch die erneuerbaren Energien hoch subventioniert. Rückblickend relativiert sich doch einiges, wenn insbesondere mit Blick auf das Ruhrgebiet von einer Subventionsmentalität die Rede war. Ich wehre mich gegen diesen Begriff. Subventionen sind jedenfalls kein Thema des Ruhrgebiets allein.

Wurde der Wandel im Ruhrgebiet durch das lange Festhalten an der Kohle gebremst?

Beermann: Ich finde, das Erreichte kann sich sehen lassen. Die Bildungslandschaft mit den vielen Universitäten und Fachhochschulen ist einzigartig. Gleiches gilt für den Gesundheitssektor. Das Kulturangebot im Ruhrgebiet kann mit Metropolen wie New York oder London mithalten. Es gibt starke Unternehmen. Natürlich kann man sich immer mehr wünschen.

Was ist nicht geglückt?

Beermann: Ich erinnere mich an die Bemühungen, in den Jahren nach dem Mauerfall den Autobauer BMW ins Ruhrgebiet zu holen. Die Gespräche waren sehr konkret. Es gab gute Flächen im Dortmunder Raum. Am Ende ist BMW nach Leipzig gegangen. Dabei spielte auch das bundespolitische Interesse eine Rolle, ein Signal für den Aufbau Ost auszusenden.

Die Energiekonzerne an der Ruhr erfinden sich gerade neu. Eon spaltet sich auf. Auch RWE gründet eine neue Tochterfirma für erneuerbare Energien. Überrascht Sie das?

Beermann: Lassen Sie mich so antworten: Mein erster Arbeitgeber hieß Gelsenkirchener Bergwerks-AG. Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder Umstrukturierungen, Aufspaltungen und Neugründungen erlebt. Die Gründung der Ruhrkohle Ende der 60er-Jahre ist nur ein Beispiel. Seinerzeit wurden übrigens noch 52 Bergwerke und 29 Kokereien mit insgesamt rund 186.000 Beschäftigten zusammengeführt. Auch später habe ich häufiger die Frage gehört: Wer bleibt bei der Altgesellschaft oder geht zur neuen Firma. Insofern wiederholt sich die Geschichte.

Als Aufsichtsratschef des Braunkohlekonzerns Mibrag liegt es auch in Ihrer Hand, was aus den deutschen Tagebauen und Kraftwerken wird. Wann folgt auf das Ende der Steinkohle das Ende der Braunkohle?

Beermann: Ich bin kein Hellseher, aber ich weiß: Die Kohle wird noch lange in Deutschland gebraucht.